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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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Militär sogar auf einen Gentest, der bin Ladens Identität bestätigt habe, bevor der Leichnam religiösen Regeln folgend auf See bestattet worden sei. Leichenfotos würden nur Racheakte provozieren. Der wahre Grund ist vermutlich viel banaler. Die Schüsse aus nächster Nähe hatten von einem erkennbaren Gesicht nichts mehr übrig gelassen. Die wenigen Abgeordneten, die Fotos einsehen dürfen, sprechen von grausigen Aufnahmen eines geborstenen Schädels.
    »Wir wollten ihn lebend fassen«, versichert Obamas Sprecher Jay Carney. Vorschläge, das Gebäude einfach mit einer Rakete zu beschießen, habe der Präsident abgelehnt, um das Leben Unbeteiligter nicht zu gefährden und um anschließend Gewissheit über bin Ladens Identität zu haben. Dem Drängen der TV-Networks, die ihre Berichterstattung tagelang mit vagen Trickbildern von der Aktion auffüllen, gibt Obamas PR-Stab indes nach – zuerst veröffentlicht er ein Foto des gebannt blickenden nächtlichen Krisenteams im Lagezentrum. Dann kündigt das Pentagon Videobilder bin Ladens an und Belege für dessen Rolle als al-Qaida-Chef.
    »Was wir aus dem Haus mitnahmen, ist der größte Datenbestand, den wir je bei Terroristen fanden«, rühmt sich US-Sicherheitsberater Thomas Donilon. Die Festplatten und sonstigen Datenträger enthielten so viel Inhalt wie eine Collegebibliothek. Daraus lasse sich ableiten, dass al-Qaida weitere Anschläge geplant habe, etwa auf Eisenbahnlinien. Im Internet droht al-Qaida daraufhin tatsächlich mit Racheakten – nun aber für bin Ladens Tod.
    Später veröffentlicht das Pentagon drei aufgezeichnete Videoansprachen des Terrorchefs, die er mit sichtlich geschwärztem Bart hält. Die Tonspur hat das Pentagon gelöscht, um Propagandaeffekte zu verhindern. Wahrnehmbar ist so allein, dass bin Laden hier und da beim Reden stockt und offenbar seitwärts zur Regie blickt. In einem vierten Clip dann schaut er sich, nun wieder graubärtig, auf einem kleinen Fernseher, umgeben von Kabelsalat und ärmlichem Chaos, Fernsehmitschnitte an, in denen er selbst auftaucht.
    Welchen Reim sich die Amerikaner darauf machen sollen, bleibt ihnen überlassen. Bin Laden als noch immer mächtiger Vordenker des Terrornetzwerks? Oder doch ein eitler Selbstdarsteller, der kaum seinen Text aufsagen kann? Oder gar ein seniler Chaot, der schon nostalgisch zurückblickt? Selbst Widersprüche stören offenbar gar nicht mehr. Die Rufe nach Beweisbildern verstummen danach. Stattdessen dominieren Fragen nach der Rolle Pakistans. Wie zuverlässig ist dieser Partner noch, wenn bin Laden dort über Jahre unterschlüpfen konnte? Ist da nicht offenes Misstrauen geboten? Und zugleich die Gegenthesen: Wie gefährlich wäre es für die Welt, wenn Pakistans Regierung ihrerseits mit Obama bricht, nachdem er sie derart brüskiert hat? Und vor allem: Was wäre, wenn das Land mitsamt seiner Atomwaffen in die Hände der Fundamentalisten fiele oder in die des zwielichtigen Geheimdienstes?
    Obama selbst reagiert differenziert. »Es muss dort ein Unterstützernetz gegeben haben, auch wenn wir noch nicht wissen, wer daran beteiligt war«, hält er den Druck auf Pakistan aufrecht und schont zugleich die dortige Regierung. Denn er braucht sie in Wahrheit mehr denn je. »Tatsache bleibt, dass wir auf pakistanischem Gebiet mehr Terroristen getötet haben als irgendwo sonst. Das wäre ohne Zusammenarbeit nicht möglich gewesen«, lobt er Präsident Zardari – und zugleich seinen eigenen umstrittenen Drohnenkurs.
    Innenpolitisch muss Obama wegen der Drohneneinsätze nichts befürchten. Der einflussreiche republikanische Senator Richard Lugar unterstützt ihn offen – allein schon weil der Drohnenkrieg billiger sei als die 100 Milliarden Dollar pro Jahr, die der Afghanistan-Krieg die Amerikaner koste.
    Frühlingswirren
     
    Neben den geerbten Kriegen kommen mit Beginn des Arabischen Frühlings zusätzliche Konflikte auf, die Obama gleichfalls unter Zugzwang setzen. Kaum einer, der nicht an das Versprechen in seiner Rede an der Universität von Kairo zurückdenkt, wonach Amerika stets an der Seite friedliebender Völker stehe, als ebendort der demokratische Volksaufstand auf die Armee des trotzigen Despoten Husni Mubarak trifft. Wird Obama nun immer noch zu Amerikas wichtigem Verbündeten halten, wie es die Konservativen fordern? Oder liegt es im nationalen Interesse der USA, auch moralisch konsequent zu sein statt immer nur strategisch?
    Obama versucht zunächst, die Opposition zu stützen,

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