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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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entschlossen, hier zu bleiben, wollten wir nicht allein vom Fischfang abhängen«, sagen sie. »Früher musste man für solche Nebeneinnahmen zum Festland reisen. Heute geht es online. Das ist ein Riesenvorteil.«
    Das Postschiff bringt uns durch schäumende Gischt zum Küstenort Port Clyde an einer der vielen Halbinsel-Spitzen Maines. Von dort fahren wir mit dem Auto Richtung Westen, zunächst durch Dörfer mit weißem, schlankem Kirchlein, Lebensmittelladen, Zwergschule und Friedhof, dann auf dem Highway Nummer zwei, der uns den Kontinent viel ansehnlicher vor Augen führt als die südlichere Route 66. Im Schneegestöber durchqueren wir die Appalachen, bis wir im grünen Bundesstaat Vermont an einer Farm anhalten, von der wir gelesen haben, dass sie vielen im neuen Amerika Modell stehe.
    Entdeckung des Kleinbetriebs
     
    Von außen sieht man Bauer Steven Leslie nicht eben an, dass er ein Trendsetter ist. Wir treffen ihn hinter Ställen und Scheunen, wo er einem stämmigen norwegischen Fjordpferd durch den Schnee hinterherstapft und dabei die Zügel hält. Statt eines Pflugs zieht das Pferd einen Traktorreifen. »Wir üben noch«, sagt Steven. »Vor zehn Jahren waren wir hier die Einzigen, die Arbeitspferde einspannten. Heute gibt es viele Bauern, die sie wiederentdecken, nicht nur in Vermont.«
    Der Mann mag wie ein Alt-Hippie daherkommen, mit schulterlangem Haar und Bart, dennoch ist er alles andere als ein Aussteiger. Bald reicht er mir eine Fachzeitschrift für Agrarentwicklung, für die er gerade den Leitartikel verfasst hat. Es geht um Biostandards und dorfnahes Leben und Arbeiten, um die Gegenbewegung zur überkommerzialisierten US-Nahrungsindustrie.
    Als die Hofgründer vor Jahren den Betrieb aufnahmen, waren sie noch nah an den Landkommunen alten Stils. Inzwischen haben sie sich ein ganzes Dorf gebaut, solarbeheizt, mit Kindergarten und neuerdings auch einem Altenteil für die ergrauten Gründer. Steven bewirtschaftet mit seiner Frau die Felder und zieht Rinder groß. Andere kneten in der Käserei Vermonts berühmten Cheddar oder ebenso schmackhafte Varianten von Schweizer Alpenkäsen. Wieder andere entwerfen am Computer wissenschaftliche Beiträge für die nächste Weltklimakonferenz.
    »Über die Jahre haben wir gelernt, dass 44 Erwachsene nicht ständig über alles reden und mitentscheiden können«, sagt Steven, als wir in einer Pause andere Genossenschaftler treffen. »Sonst wäre hier nur Chaos.« Ein jeder müsse Einnahmen erwirtschaften und eigenverantwortlich Betriebsteile führen. Nur Grundsätzliches entscheide nach wie vor das Plenum. Als ich nach einem Beispiel frage, kommen sie auf den letzten Dauerstreit, den sie seit WG-Zeiten mitschleppen. »Wir sind uns nie einig geworden, ob wir Neumitgliedern erlauben sollten, Haustiere mitzubringen oder nicht«, sagt einer lachend, während alle nicken. »Das ist unsere härteste Nuss.«
    Was der Kooperative entgegenkommt, sind Vermonts ländliche Traditionen, die das Genossenschaftswesen immer pflegten. So mancher US-Mischkonzern wollte sich hier schon einkaufen, scheiterte aber am Widerstand der bäuerlichen Inhaber, deren Mehrheit stets gegen Verkäufe stimmte. Nach all der Berichterstattung über die angebliche Sozialisten-Angst im Amerika Barack Obamas habe ich mit derart soliden Alltagskollektiven gar nicht mehr gerechnet.
    Der Trend zurück zum ganzheitlichen Kleinbetrieb und zu gesundem Essen werde anhalten, sagt Steven. Dann bringt er mich zum Stall, wo ich mit seiner Frau Cary die neuen Kälbchen füttere, die mich aus ihren braunen Augen anblicken wie Rehe.
    Ob sie die alle behielten, frage ich Cary.
    »Wir verkaufen einen Teil davon an einen Großhändler oder an Abnehmer im Umland«, antwortet sie.
    Mir fiele schwer, die auszuwählen, die ich hergeben würde, sage ich, als ich die Trinkflasche durchs Gitter halte.
    »Glaub ja nicht«, seufzt sie da, »dass es mir anders geht.«
    Im Wind von North Dakota
     
    Entlang der kanadischen Grenze setzen wir die Reise fort, durchqueren bald Weinberge und blicken in die steilwandige Schlucht des Niagara-Flusses. Wir erfahren von letzten Gefechten zwischen Amerikanern und Franzosen am Ufer der Großen Seen, wo sich heute ein viktorianisches Dorf als schönster Ort Kanadas rühmt. Der lizensierte Rettungspilot fliegt uns kühn bis über die vereisten Ränder der Niagarafälle, bis der Kameramann freudig den Daumen reckt. Vom Bundesstaat New York aus erreichen wir Michigan, wo wir uns Schneeschuhe um

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