Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
zudem nervös. Erstmals melden sich nun tatsächlich jene Altvorderen zu Wort, nach deren Verbleib wir so oft fragten. John McCain kritisiert Boehners Konfrontationskurs plötzlich ebenso offen wie Präsidentschaftskandidat Newt Gingrich, der ihn kühl auffordert, den Zwei-Monats-Deal doch bitte »still und glücklich« durchzuwinken, wenn Obama seine Wiederwahl nicht schon vorzeitig feiern solle.
Boehners Fraktion »beugt sich der Wirklichkeit«, analysiert die Washington Post und spricht von einer »bemerkenswerten Kapitulation«. Boehners Stil, mit Boxhandschuhen Politik zu machen, nur weil ihn andere dazu drängten, habe ihn nun selbst blamiert.
Tatsächlich hatte allein er das Gefecht öffentlich geführt, mit markigen Worten, die an seinen inszenierten Wutausbruch vor der Gesundheitsreform-Abstimmung erinnerten. In Wahrheit wolle Boehner geliebt werden, nicht gefürchtet, glaubt der Kommentator. Nun räumt der Parlamentspräsident offen ein, dass seine Strategie »vielleicht nicht die politisch klügste« war.
Der Riss in seiner Partei hatte sich lange abgezeichnet. Allein das gemeinsame Ziel, Obama jede Erfolgsaussicht zu nehmen, hatte ihn dürftig bedeckt. Dass ausgerechnet Mitch McConnell, der es am lautesten ausgerufen hatte, Boehner nun im Stich lässt, ist für ihn doppelt tragisch.
Denn er selbst hat damit beides verspielt: die Aussicht, gemeinsam mit Obama große Lösungen voranzubringen; und die zweifelhafte Perspektive, dauerhaft gegen ihn zu arbeiten. Vielmehr setzt nun Obama, teils am Kongress vorbei, einen Großteil seiner Job-Initiative durch. Und vieles spricht dafür, dass sich nicht Obama neu erfinden muss, sondern John Boehner.
Auch Politikbeobachter Stephen Hess, den wir dazu befragen, sieht den Präsidenten im Vorteil. Er könne nun fast dabei zuschauen, wie die Republikaner sich aufrieben. »Wenn dein Gegner Selbstmord begeht«, zitiert er eine Strategenweisheit, »solltest du ihm nicht eben in den Arm fallen.«
Gelehrter Bush
Noch peinlicher verlaufen für die Republikaner die ersten Fernsehauftritte ihrer Präsidentschaftsanwärter. Ihr früher Shooting-Star, Michele Bachmann, blamiert sich, weil sie lauthals verspricht, als Präsidentin zuallererst die US-Botschaft im Iran zu schließen. Dabei geschah dies schon vor 30 Jahren.
Der Texaner Rick Perry stürzt stammelnd über die Frage, was er als Präsident tun würde, wenn Pakistans Atomwaffen in Rebellenhand fielen, und verirrt sich in Sätzen über gebrauchte US-Kampfjets, die man nicht hätte an Indien verkaufen dürfen. Später schafft er es nicht, die drei Bundesbehörden aufzuzählen, die er selbstredend abschaffen wollte. Fortan gilt er als »Blackout«-Bewerber, der für keine TV-Debatte tauge, schon gar nicht gegen den eloquenten Amtsinhaber. Dazu scheitert der ehemalige Pizzaketten-Mogul Herman Cain an nach und nach enthüllten Vorwürfen, er habe vier Frauen sexuell genötigt – was eine von ihnen öffentlich mit schlüpfrigen Details belegt. Nach wochenlangem Leugnen folgt der Paukenschlag, dass er seine ahnungslose Ehefrau zudem mehr als zehn Jahre lang mit einer Liebhaberin betrogen habe, was Letztere bestätigt. Daraufhin gibt Cain bekannt, dass er nach vielen Gebeten und der Prüfung seines Gewissens seine Wahlkampagne »unterbricht«.
Dabei hat auch er sich politisch schon hinreichend unbedarft gezeigt, etwa als er bei einem Presseinterview auf die Frage nach Obamas Umgang mit Libyen zuerst sichtlich verlegen auf dem Stuhl hin und her rutschte und dann von dort mitregierenden Taliban redete – die es in Tripolis nie gab. Oder als er ein bürgerfreundliches Steuerkonzept vor sich her trug, das Beitragssätze durchweg auf neun Prozent festlegen sollte, was jedoch nicht der Mittelschicht geholfen hätte, wie ihm bald Experten vorrechneten, sondern zuallererst den Reichen.
Alle drei, Bachmann, Perry und Cain, feiert die Tea Party nacheinander als heldenhafte Frontkämpfer, während die fiebrigen Nachrichtenkanäle jeweils schon deren Favoritenqualitäten preisen. Bis ihre Strohfeuer niedergebrannt sind – Funken sprühend zuerst, dann noch etwas Rauch hinterlassend, aber nie Substanz. So wie ihr Vorbild Sarah Palin eben, nur schneller. Einem meiner Online-Kollegen platzt einmal lesbar der Kragen: »Sie lügen, heucheln, poltern und reden dummes Zeug daher«, bilanziert er. »Und sie beweisen eine politische, wirtschaftliche, geografische wie historische Unkenntnis, die George W. Bush als Gelehrten
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