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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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dargelegt, dass Deutschland weder eine Demokratie noch eine Republik sei. Zumindest an jenem Abend male ich mir mit Sorge aus, wohin jene Mischung aus Selbstgefälligkeit, Ignoranz und Unkenntnis womöglich führt, wenn sie sich im Land, wie unter George W. Bush, erst wieder Vorherrschaft erobert.
    »Wir sind in einer moralischen Krise«, sagen uns die Versammelten von Greenville, »aber Gott wird uns zeigen, wie wir Amerika vom Irrweg abbringen.« Selbst für den Fall, dass Obama Präsident bleibt, haben sie sich ihre Antwort schon zurechtgelegt. »Manchmal lässt der Herr die Dinge erst noch schlimmer kommen«, weiß eine Gläubige, »bevor er sie wieder besser macht.«
    Geheimwaffe Gingrich
     
    Doch zunächst ist es weder Mitt Romney noch sein kruder Konkurrent Santorum, der die Angst der Ultrareligiösen vor einem drohenden Systemwechsel für sich zu nutzen weiß, sondern ausgerechnet der skandalumwitterte frühere Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich. Eigentlich müsste er schon wegen zweier Scheidungen bei South Carolinas bibeltreuen Republikanern durchfallen. Als kurz vor der Abstimmung der Fernsehsender ABC zudem ein Exklusivinterview ausstrahlt, in dem seine zweite Frau schildert, wie schamlos Gingrich sie seinerzeit betrogen und sogar zu einer »offenen Ehe« gedrängt habe, rechnen alle damit, dass er strauchelt.
    Doch auf die Einstiegsfrage in der wichtigsten Fernsehrunde, was er zu den Vorwürfen zu sagen habe, dreht Gingrich den Spieß um – und geißelt in einem flammenden Statement die »elitären Medien«, die auf »ekelhafte« Weise eine Präsidentschaftsdebatte mit einer falschen Schmutz-Story eröffneten und damit Obama in die Hände spielten. Noch während er so CNN-Gastgeber John King maßregelt, erhebt sich das Publikum zu Beifallsstürmen, und King steht da wie ein stutziger Schuljunge.
    Gingrich wusste, dass die Frage kommen würde. Er hatte sich vorbereitet, um die einzige Chance zu ergreifen, die ihm blieb. Abgebrüht schloss er mit den Tea-Party-nahen Zuhörern im Saal innerhalb von Sekunden einen Pakt gegen das, was ihnen mit Sicherheit noch mehr verhasst ist als seine Fehltritte: die nationalen Medien jenseits ihres Lieblingssenders Fox News – und Obama.
    Dabei hat zuletzt keiner die US-Medien so sehr für eigene Schmutzkampagnen genutzt wie Gingrich. In einem millionenteuren Film, finanziert von einem Hotelmogul aus Las Vegas, ließ er die Erfolgsfestung des Rivalen Romney schon vor Wochen sturmreif schießen. Darin wird Romney als gieriger Finanzhai porträtiert – ein wahres Husarenstück unter Parteikollegen, die gewöhnlich nichts mehr preisen als zügellosen Kapitalismus, und ein Modell für spätere Vorwürfe der Demokraten. Auch diese Attacke konnte Gingrich nur deshalb Punkte bringen, weil der politisch gemäßigtere Romney der rechten Basis noch viel zu konturlos ist und sie ihm den Sieg gegen Obama nicht zutraut. Andere TV-Clips klagten, Romney unterstütze Abtreibungen, und warnten mit dramatischer Stimme: »Man darf ihm nicht trauen.«
    Als wir am Stadtrand von Columbia Frauen im Friseursalon und Männer im Heimwerkermarkt befragen, spiegeln sie das Meinungsbild, das auch die Umfragen messen.
    »Romney fehlt der moralische Kompass, er ist ein Umfaller, der immer nur für das ist, was ihm gerade Stimmen bringt«, hören wir. So habe er in Massachusetts die gleiche Gesundheitsreform durchgeführt, die er nun als Wahlkämpfer gegen Obama ablehne. Er sei nicht zuverlässig gegen die Schwulenehe, und wie ein Gralshüter des Waffenrechts trete er auch nicht auf.
    Ob er ihnen schlicht zu reich sei, fragen wir.
    »Nein, das nicht«, meint eine Kundin, »aber er teilt nicht wirklich unsere Lebenswelt.«
    Tatsächlich fehlt dem Mormonen Romney viel vom Stallgeruch der Südstaatler. Aber auch nichtreligiöse Konservative klagen, er wirke wie eine Baukastenfigur. Oder – wie Talkshow-Spötter Jay Leno formulierte – als habe ihn die Barbie-Firma Mattel hergestellt. Auch Columbias Wochenzeitung Free Times , die in den Läden ausliegt, zeigt Romney auf dem Titelblatt nur mit der Frage, ob er als Kandidat wohl »noch vermeidbar« sei.
    Doch manche schimpfen an diesem Morgen auch auf die anonymen Großspender, die den teuren Negativ-Wahlkampf auf die Spitze trieben, und auf den Obersten Gerichtshof, der dafür die Schleusen öffnete, indem er alle Limits aufhob.
    »Man darf es kaum laut sagen«, klagt ein Mann zwischen Schraubenschlüsselsets und Blechbriefkästen,

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