Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
über Ada erst mühsam Annabella abringen.
    Die Scheidung von Theresa Guiccioli war nichts im Vergleich zu der Staatsaffäre, die jetzt in England begann. Der neue König George IV. sah endlich eine Gelegenheit, sich von seiner ungeliebten Ehefrau zu lösen, von der er schon seit Jahren getrennt lebte. Er klagte sie des Ehebruchs an und sorgte so dafür, daß die unglückliche Königin vor dem gesamten Parlament erscheinen mußte. Die Sympathien allerdings waren auf ihrer Seite. Wenn jemand seit Jahren öffentlich im Ehebruch lebte, dann bestimmt nicht die ehemalige Prinzessin von Wales, sondern ihr ehrenwerter Gemahl.
    Byron sah die ganze Angelegenheit als einen weiteren Beweis der grenzenlosen Despotie und Niedertracht des neuen Königs an. Sie betraf ihn allerdings auch persönlich. Augusta war Hofdame der jetzigen Königin, der Patin ihrer Tochter Georgiana.
    Was würde geschehen, wenn George IV. Erfolg hatte?
    Die Wellen der Empörung, die diese Angelegenheit in ganz Europa schlug, halfen der armen Frau überhaupt nicht. Ihr Gemahl bestand auf seiner Klage. Sie, die immer schon bei zarter Gesundheit gewesen war, ertrug diese Belastung schließlich nicht mehr und starb an einem Herzanfall.
    Byron setzte alles auf eine Karte und bat Augusta in seinem nächsten Brief, zu ihm zu kommen, mitsamt ihrer Familie und
    »Deinem prächtigen Stück Hilflosigkeit George Leigh«. Er, der nun an seinen Werken verdiente, würde für sie sorgen. Sie würde Italien lieben, sich mit den Shelleys und Theresa Guiccioli sehr gut verstehen. »… ich hatte große Mühe, sie davon abzuhalten, Dir elf Seiten zu schreiben - (denn sie ist eine große Schriftgelehrte)…« falls sie dann doch nach England zurückkehren wollte, nun, der Skandal lag doch schon Jahre zurück, oder? Er mußte sie wiedersehen.
    Es bedurfte zweier Briefe, um ihn zu ernüchtern. Der erste kam von Hobhouse, der erzählte, Lady Caroline Lamb plane eine Fortsetzung ihres »Enthüllungsromans« mit neuen Einzelheiten, und sie sorge dafür, daß man den Stoff nicht vergesse. Niemand in England tat das. Dann schickte ihm Augusta eine Aufzählung von Tatsachen, die sich nicht bestreiten ließen. Wenn er schon mit seiner eigenen Tochter nicht fertig wurde, wie sollte das erst mit ihren inzwischen sieben Kindern werden? Eine der Schwestern des Königs, Prinzessin Sophia, die mit ihrer Schwägerin eng befreundet gewesen war, hatte sie als Hofdame akzeptiert.
    Wirklichkeitsfremd wie eh und je sei er, »Baby Byron!« Nichts hatte sich geändert. Die Hindernisse waren noch immer dieselben, und es blieb nur der Austausch von Kreuzen und Erinnerungen.
     
    In Pisa etablierte sich schnell ein literarischer Zirkel: Shelley, Byron, Mary, Theresa, Leigh Hunt, Trelawny und Captain Medwin. Der letztere war Shelleys Cousin, Trelawny dagegen ein Bekannter, der sich selbst als die Verkörperung von Byrons
    »Korsar« sah, ein Abenteurer mit Neigung zur Poesie. Die Geschichten von all seinen Schiffsbrüchen und gefährlichen Erlebnissen füllten Abende. »Trelawny konnte nicht die Wahrheit sagen, und wenn es um sein Leben ginge«, bemerkte Byron einmal. Claire Clairmont hatte inzwischen zu aller Erleichterung das Feld geräumt und befand sich zwar immer noch in Italien, aber nicht mehr bei den Shelleys. Um diese Zeit bot ihr eine russische Exilantenfamilie eine Stellung als Gouvernante an, die sie annahm.
    Der unumstrittene philosophische Kopf des Pisaaer Zirkels war natürlich Shelley mit seinem unverbrüchlichen Glauben an das Gute im Menschen, die Liebe und die Natur.
    Trelawny und Hunt verehrten Shelley, gerade in seiner Weltfremdheit, und gaben sich unwillig über die respektlose Art, in der Byron mit ihm umging. Allein der Spitzname »Schlange«,
    »weil er sich lautlos bewegt und dünn ist«! »Sie sind die wahre Schlange, Byron, mit Ihrer Zunge«, entgegnete der erboste Trelawny. Shelley schüttelte den Kopf. »Er ist ein Adler.«
    »Gelegentlich, Shiloh, gelegentlich. Wenn ich nichts Besseres zu tun habe.«
    Als sie darauf kamen, Wettschießen zu veranstalten, stellte sich ausgerechnet der zerstreute und unkonzentrierte Shelley, der kaum in die Richtung blickte, in der er die Pistole hielt, als bester Schütze heraus. »Zufall«, sagte Captain Medwin. »Genie!«
    erwiderte Hunt. »Bei der Pistole oder bei Shelley?« fragte Byron sanft. Er und »die Schlange« konnten sich noch immer nicht über die Seepoeten einig werden. »Und was Ihren Coleridge angeht, Shiloh - du meine

Weitere Kostenlose Bücher