Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
versammelte einen kleinen Kreis von Engländern um sich. Italiener kannte er nur wenige.
     
    Claire war noch immer bei ihnen, und das Verhältnis zu ihrer Stiefschwester verschlechterte sich zusehends. Denn selbst als Marys kleine Tochter starb, verspürte Claire brennende Eifersucht. Mary hatte alles: ein noch überlebendes Kind, Shelley, der sie tröstete, Talent, das sie ausüben konnte; sie schrieb an ihrem zweiten Roman. Claire hatte nichts, Byron weigerte sich, sie zu sehen oder ihre Briefe zu beantworten, und das schnitt sie natürlich auch von ihrer Tochter Allegra ab. Außerdem konnte Claire nicht vergessen, daß Byron Mary schon immer gemocht und geschätzt hatte. Sie erkannte nicht, daß dies damit zusammenhing, daß Mary eine der wenigen Frauen war, die definitiv nicht Byrons Geliebte werden wollten. Auf diese Art konnten sie miteinander sympathisieren, ohne jemals voreinander auf der Hut sein zu müssen.
    Claire machte Szenen, Shelley und Mary mußten sich regelmäßig aus ihrem eigenen Haus stehlen, um ein wenig Frieden zu finden, bis endlich sogar der eigentlich grenzenlos geduldige Shelley genug hatte und Claire mit einem Hinauswurf drohte.
    Da sie nicht wußte, was sie alleine anfangen sollte, hielt Claire sich fortan zurück.
     
    Im April 1819 machte Byron bei der Contessa Albrizzi die Bekanntschaft einer Dame, die seinem eigenen Dasein als Don Juan ein Ende setzte. Theresa Guiccioli war neunzehn Jahre alt und mit einem Greis verheiratet (wie Doña Julia in Byrons
    »Don Juan«). Sie vollbrachte das Wunder, das er nicht mehr für möglich gehalten hatte: Er liebte sie tatsächlich. Nicht nur ihre außergewöhnliche Schönheit zog ihn an. Theresa vereinigte in sich mit ihrem goldbraunen Haar, wie es der Maler Tizian so geliebt hatte, und der dunklen Haut auf aparte Weise Norden und Süden. Vor allem aber war Byron von ihrer charmanten, liebevollen Art hingerissen. Theresa lachte gerne.
    »Sie hat auch einen Teil von uns; - ich meine diesen Hang zum Verspotten, wie er Tante Sophy und Dir und mir & allen B’s eigen ist«, schrieb er an Augusta. »Sie ist hübsch - eine große Kokette - außerordentlich eitel - maßlos geziert - ziemlich gescheit - ohne die geringsten Prinzipien - mit einem gut Teil Phantasie und etwas Leidenschaft.«
    Theresa scheute sich nicht, ihn vor ihrem Mann laut »mio Byron« zu nennen. Da sie aber andererseits auch eine große Verehrerin von Dante und Petrarca war, den italienischen Nationaldichtern, die das Ideal der edlen Frau priesen, stand sie seinem
    »Don Juan«, dessen Gesänge weiter anwuchsen, mehr als skeptisch gegenüber. Sie überredete Byron, die Arbeit an diesem Werk zu unterbrechen. Auf den Einwand, »Don Juan« betrachte er als das Beste, was er bis jetzt geschrieben habe, entgegnete sie: »Ich würde lieber drei Jahre durch ›Childe Harold‹ berühmt sein als unsterblich durch ›Don Juan‹! Die Sache mit Doña Inez ist hinterhältig deiner Frau gegenüber - ich zweifle nicht daran, daß du sie ganz abscheulich behandelt hast.« Er tat ihr den Gefallen, für den Moment wenigstens, da selbst Murray und die Picadilly Crew ihn vor einer Fortsetzung des verrufenen Werks warnten.
    Der einzige Enthusiast in seinem Freundeskreis war Shelley, der »Don Juan« für Byrons Meisterwerk hielt. »Nichts dergleichen ist jemals in englischer Sprache geschrieben worden oder wird jemals geschrieben werden, es sei denn im Glanze eines erborgten Lichts«.
    Als daraufhin sogar der weltmännische Thomas Moore vor Shelleys atheistischen Ansichten warnte, antwortete Byron erbost: »Was den armen Shelley betrifft, der für Dich und die Welt… ein Schreckgespenst ist, er ist, meines Wissens, der am wenigsten selbstsüchtige und der sanfteste aller Männer; - ein Mann, der für andere größere Opfer von seinem Vermögen und seinen Gefühlen gebracht hat als jeder andere, von dem ich jemals gehört habe.«
    Theresa machte Byron auch mit ihrem Bruder, Pietro Gamba, bekannt, der zum italienischen Widerstand gegen die österreichische Besetzung zählte - was in Byron seine alte Leidenschaft für die Politik erneut aufflammen ließ. Er hatte niemals aufgehört, das Feudalsystem dichterisch anzuprangern, zuletzt wieder in »Don Juan«, wo er den englischen Außenminister Castlereagh attackierte. Castlereagh, von den Fürstenhäusern Europas hochgelobt wegen seiner Rolle beim Wiener Kongreß, war maßgeblich für die blutige Unterdrückung Irlands verantwortlich, was ihm in der Widmung

Weitere Kostenlose Bücher