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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Affären wurde ausgiebig beklatscht. Und dann, nach Lady Oxfords Abreise, gab es auf einmal keinen Stoff mehr zum Klatschen - man sah ihn fast ausschließlich mit seiner Schwester. Das Zwischenspiel mit Lady Frances war viel zu kurz, um wirklich ernst genommen zu werden. Schließlich zog er sich auf seinen obskuren Landsitz zurück - wieder mit seiner Schwester -, und wen es interessierte, der konnte von Augustas Freunden auch erfahren, daß sie ein Kind erwartete. Es war noch nicht genügend Stoff für eine Skandalgeschichte. Aber es war ein Anfang.
    Byron bemerkte die Veränderung erst, als er mit Augustas älterer Halbschwester, Lady Chichester, zusammentraf. Er kannte Lady Chichester nicht sehr gut, eigentlich nur vom Sehen, aber da sie sozusagen verwandt waren, begrüßte er sie. Sie versuchte zunächst ihn zu übersehen, erinnerte sich dann aber offenbar ihrer guten Erziehung und grüßte eisig zurück. Byron war überrascht. Was hatte er ihr getan? »Ach, Lady Chichester, haben Sie in der letzten Zeit von Augusta gehört? Ich warte nämlich auf einen versprochenen Brief.«
    »Nein«, sagte die Chichester kurz, und ihr Tonfall machte ihn wirklich stutzig. Das schien mehr als schlechte Laune oder Migräne zu sein. »Dann«, antwortete er unbehaglich, »sollten Sie ihr schreiben.« Lady Chichester musterte ihn lange. Endlich stieß sie hervor: »Vielleicht tue ich das. Aber ich glaube, daß einige ihrer Geschwister ihr in der letzten Zeit zu oft geschrieben haben!« Mit diesem Satz ließ sie ihn stehen. Der nächste Schlag kam von Lady Melbourne, die sich in einem Postskriptum erkundigte, ob er irgend jemandem außer ihr sein Geheimnis anvertraut habe. Das konnten alles immer noch Zufälle sein.
    Glücklicherweise bot ein anderes Ereignis ergiebigeren Stoff zum Klatschen.
    Der Prinzregent und Beau Brummel hatten sich zerstritten.
    Harmloser Ausgangspunkt für diese Entwicklung war eine von Brummels Schnupftabaksdosen, die der Prinz bewunderte und sich als Geschenk erbat. Als Gegenleistung schlug er vor, daß Brummel eine neue Dose selbst entwerfen sollte, die, ohne Rücksicht auf die Kosten, beim Hofjuwelier ausgeführt werden sollte. Nun gefiel diese Schnupftabaksdose dem Prinzregenten ebenfalls so gut, daß er sie für sich beanspruchte und nicht an Brummel weitergehen ließ.
    Als nächstes wurde ihm hinterbracht, Beau Brummel habe in Carlton House öffentlich behauptet, er habe aus dem Prinzregenten den Gentleman gemacht, der er sei, und er könne das auch wieder rückgängig machen. Auf dem nächsten Ball schnitt der Prinz den Dandy zuerst, überlegte es sich dann jedoch wieder anders und kam gegen Ende des festlichen Ereignisses huldvoll auf Brummel zu, den er durch das Getuschel für genug gestraft hielt. Beau Brummel sah ihn eisig an und fragte dann mit klarer, weithin vernehmbarer Stimme seinen Nebenmann:
    »Entschuldigen Sie, wer ist denn Ihr fetter Freund?«
    Das war das endgültige Aus für die Freundschaft zwischen Prinz und Dandy. Die konservativen Kreise, die Brummel schon immer um seine unnachahmliche, selbstverständliche Eleganz beneidet und seinen unverschämten Ton ihnen gegenüber gehaßt hatten, schwelgten wochenlang in Schadenfreude.
    »Wie wird er jetzt seine Landwäscherei bezahlen können?« war eine der beliebtesten Fragen, in Erinnerung an Brummels Forderung, ein Gentleman dürfe zwar auf keinen Fall Parfüm benutzen, solle aber immer saubere, gestärkte Wäsche, nicht in den billigen Läden der Stadt, sondern auf dem Lande gewaschen, tragen.
    Doch irgendwann verschwand die Schadenfreude und auch das Mitleid Brummel gegenüber, der unbekümmert in seinem alten Stil weiterlebte. Die Gesellschaft besann sich wieder auf ihr vorheriges Gesprächsthema. Byron wurde nachdrücklich daran erinnert, als er einen Brief von Caroline Lamb erhielt, der ganz anders war als ihre früheren Episteln:
    »Sagen Sie Ihrer Schwester, sie soll versuchen mich nicht zu verabscheuen. Ich bin ihrer sehr unwürdig, ich weiß & fühle es, aber da ich Sie nicht sehen noch lieben kann, lassen Sie sie nicht hart über mich urteilen - sorgen Sie dafür, daß sie mich nicht ignoriert, wie es Lady Gertrude Sloane tut & Lady Rancliffe. Sagen Sie ihr, ich fühle meine Fehler, mein Verbrechen früher - aber versuchen Sie es & bringen Sie sie dazu, mir zu vergeben, wenn Sie können, denn ich liebe diese Augusta mit meinem Herzen, weil sie Ihnen gehört und Ihnen teuer ist.«
    Es war eine sehr subtile, feinsinnige Drohung.

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