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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gegeben hatte, bemerkte er, daß sie die Finger gekreuzt hielt. Sie klang wie immer, lebhaft und etwas in Eile, doch als er sie näher betrachtete, glaubte er, eine bestimmte Veränderung an ihr wahrzunehmen.
    »Bevor du etwas sagst«, bemerkte Augusta fröhlich, »ja, es stimmt, ich erwarte wieder ein Kind.« Sie hatte seinen Blick gesehen und wandte sich nun unbefangen an Mrs. Villiers.
    »George ist allerdings nicht so sehr erfreut darüber, daß er schon wieder Vater wird, aber ich bin sicher, wenn das Kleine erst einmal da ist, wird er es lieben wie alle seine Kinder.« Sie lachte, der Inbegriff der glücklichen Mutter. Doch Byron sah, wie sie sich auf die Lippe biß, als Thelma Villiers ihre überschwenglichen Gratulationen anbrachte, und er erkannte die Schatten in ihren Augen.
    »Warum hast du es mir nicht geschrieben?« Sie saßen in seiner großen Reisekutsche, und das eintönige Holpern über die frosterstarrten Wege wirkte einschläfernd. »Weil ich weiß, daß es Georges Kind ist.« Sie fröstelte und hauchte gegen ihre kalten Hände. »Ich bin ganz sicher.« Er glaubte ihr nicht wirklich.
    Wenn sie die Niederkunft Anfang April erwartete, wie sie Mrs.
    Villiers gesagt hatte, wie konnte sie da sicher sein? Er dachte daran, was man sich über Kinder von Bruder und Schwester erzählte - sie seien Ungeheuer. Es mußte Aberglauben sein und - George Leigh kam als Vater ebenfalls in Frage.
    Er spürte, wie Augusta ihren Kopf an seine Schulter legte. »Laß uns das einfach alles vergessen«, flüsterte sie, »die ganze Welt einfach vergessen. Es gibt nur das Jetzt.« Als er kurz aus dem kleinen, eisblumenbedeckten Fenster schaute, um festzustellen, wo sie sich befanden, hatte es angefangen zu schneien.
     
    Bei ihrer Ankunft in Newstead lag der Schnee schon so hoch, daß der Weg für die Kutsche zweimal freigeschaufelt werden mußte. Ein paar Tage später waren sie eingeschneit. »Da sieht man, daß auch der Himmel für Bestechungen zugänglich ist«, sagte Byron. »Ich habe meinem Freund Hodgson eine gehörige Summe vorgestreckt, damit er für uns betet.« Hodgson war Diakon in Cambridge, ein ehemaliger Mitstudent und Byrons Partner in der »Theologieschlacht« (wie Byron sie bezeichnete), die sie brieflich miteinander führten. Byron hatte mehrmals erwogen, ihn mit Miss Milbanke bekannt zu machen. Aber da Annabella zwischen ihren Predigten immer wieder betonte, nicht streng kirchengläubig zu sein, ließ er es bleiben.
    Wie auch immer, dieser Winter konnte als ein Geschenk des Himmels angesehen werden. Endlich völlig allein, brauchten sie auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen. Es gab nur sie beide, den Schnee und Newstead Abbey. Byron schrieb an Thomas Moore, sie seien vollkommen glücklich, »da wir uns nie langweilen oder streiten, und wir lachen viel mehr, als es in so einem würdigen Gemäuer schicklich ist; und die familieneigene Schüchternheit macht uns zu vergnüglicheren Gesellschaftern füreinander, als wir es für irgend jemand anderen sein könnten.«
    Augusta war beeindruckt von der großartigen Verfallenheit von Newstead. Die Zinnen, das halbeingestürzte doppelbogige Tor, ja selbst die Trümmerhalden des Seitenflügels sahen durch die verzauberte Hand des Frostes nicht mehr ruiniert, sondern geheimnisvoll aus. Newstead wirkte überhaupt wie das Schloß aus einer alten Legende oder Sage, und sie spekulierten gemeinsam, ob sich wohl irgendwelche Geister blicken lassen würden.
    »Mönche, natürlich«, sagte Byron, der träge vor dem Kaminfeuer in dem riesigen »Großen Wohnraum« lag, »immerhin war es einmal eine Abtei. Ich wette, irgendwo wurde einer eingemauert oder so etwas.« Augusta rutschte zu ihm hinüber und beugte sich über ihn. »Aber doch kein Mönch«, erwiderte sie mit gespielter Entrüstung, »damit hat uns dein Lewis schon zur Genüge versorgt.« Sie zeichnete zart mit den Fingern seine Gesichtszüge nach. »Eine weiße Frau vielleicht, oder irgendein verstoßener Sohn, der sich blutig gerächt hat - das würde mich interessieren.« Sie schnitt eine Grimasse. »Wenn Tante Sophia recht hat, müßte die gesamte Sippschaft ohnehin hier versammelt sein.«
    Sie ließ ihre Stimme hohl klingen. »Die fluchbeladenen Byrons!«
    »Sie hat mich hier besucht, weißt du, unsere Tante Sophia, meine ich. Sie brachte Cousin Robert Wilmot und seine Frau mit, aber sie blieben alle drei nicht lange.« Augusta hob die Mundwinkel. »Tante Sophia bleibt nie irgendwo sehr lange, und das macht sie zu

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