Wahnsinns Liebe
einem neuen Glas Whisky.
Altenberg sitzt zusammengesunken da. »Mir hat kürzlich ein neuer Bekannter gesagt, der gemerkt hat, wie ich mich erregt hab über die Helga – du weißt, das Mädchen in der Galerie Miethke, weil sie plötzlich mit einem Besucher entschieden zu freundlich geredet hat: Wissen Sie, die Eifersucht ist nichts als die Angst vor dem Tod.«
»Und?« sagt Loos.
Altenberg betrachtet seine Füße, beige Wollsocken in Holzsandalen. »Vielleicht hat er recht. Ich habe gemerkt, daß ich dann eifersüchtig werde, wenn bei mir die Liebe erlischt. Weil ich spüre, daß ich meiner Liebe nicht mehr traue und mir selber auch nicht, trau’ ich auch dem Mädchen nicht mehr, das ich angeblich liebe.«
Er seufzt und zieht den Whisky durstig rein. »Aber der Kerl, der Kerl, der das gesagt hat, der hat eben keine, der hat leicht reden. Vielleicht hat er eine Bezahlte. Aber wer wird schon auf eine Hure eifersüchtig sein.«
|61| »Du, soviel ich weiß. Wenn du sie dir zur Heiligen zurechtgeredet hast und die Briefe diktierst, die sie an dich schreiben soll, hältst du es doch nicht mehr aus, wenn sie ihrem Gewerbe nachgeht.«
Altenberg hat sich die Flasche Whisky gegriffen und bedient sich selber.
Loos will wissen, was dieser Kerl denn für einer sei.
»Ein Maler. Er ist wohl ziemlich gestört. Aber nicht uninteressant.«
Er solle ihn doch mal zum Stammtisch mitbringen. Oder ins Central oder ins Café Museum, meint Loos, während er die Gardinen ordnet und den Teppich zurechtzupft.
»Der geht nicht aus. Weil er vermeiden will, irgendwelchen Kollegen zu begegnen, mit denen es nur Zores gäbe. Der bildet sich nämlich ein, er sei allen anderen meilenweit voraus. Die hält er durchweg für verlogene Gefälligkeitstäter. Und er müsse kotzen, sagt er, wenn er einen von denen nur zu Gesicht bekäme.«
Loos lächelt. »Klingt sympathisch.«
»Klingt nach dir«, sagt Altenberg.
Es ist schon neun, als er heimkommt. Aus dem offenen Spalt der Küchentür fällt Licht in den dunklen Flur. Es riecht nach Hammel und Knoblauch. Sie steht mit dem Rücken zur Tür und wendet den Kopf. »Ich bin schwanger«, sagt sie.
Er tritt hinter sie, ohne sie zu berühren. »Ich habe deinem Bruder den Anfang meiner ersten Kammersymphonie |62| gezeigt. Er meint, das könnte ein epochales, umwälzendes …«
Sie dreht sich um. »Arnold, ich bekomme das zweite Kind. Im September.«
»September ist gut. Ich habe jetzt für Juli in Rottach-Egern am Tegernsee eine Ferienwohnung angemietet, damit ich dort ungestört die Symphonie fertigschreiben kann. Du weißt, auf den Morgenspaziergängen auf dem Land komponiere ich im Kopf oft vierzig, fünfzig Takte, und ich sage dir: so schnell, wie ich das dann in zwei, drei Stunden niederschreibe, kopiert ein andrer nicht mal Noten.«
Sie hackt die Petersilie für die Bohnen im Takt seiner Rede.
»Meinst du nicht, das wird dann zu anstrengend?«
»Nein, im Gegenteil. Das erfrischt mich richtig.«
Mathilde zieht die Haut von den Zwiebeln, halbiert sie und fängt an, sie zu hacken. »Ich habe gerade über einen Namen nachgedacht. Hast du eine Idee?«
»Einen Namen? Nein, ganz einfach: Erste Kammersymphonie. Diese bemüht grandiosen Titel sind doch peinlich. Und weißt du: in dieser Symphonie fließt mein Herzblut. Da darf kein …«
Mathilde seufzt, dreht sich zu ihm um und reibt mit dem Handrücken die Zwiebeltränen aus den Augen. »Arnold, eigentlich wollte ich …«
»Du weinst ja. Mein Gott, wie schön, daß dich meine Arbeit so anrührt.«
Bei Tisch hat Mathilde Trudi auf dem Schoß und führt ihr Besteck um das Kind herum. Trudi weint sofort, wenn sie nicht dort sitzen darf beim Essen.
|63| »Ich habe mich über ihn erkundigt«, sagt er. »Und zwar sehr genau erkundigt.«
Mathilde reckt den Kopf an ihrer Tochter vorbei. »Von wem redest du?«
»Es heißt, der Mann sei kaum auszuhalten. Sie haben ihm Sonderbedingungen eingeräumt. Auch aus Selbstschutz, weil er offenbar sehr jähzornig sein kann. Sogar ausfallend.«
Dann fängt er an zu essen. Sie weiß, daß die Zeit zu fragen jetzt vorbei ist, bis er aufgegessen hat. Als er das Besteck ablegt, seine Lippen abwischt, aber das glänzende Kinn vergißt, geht es weiter.
»Über wen hast du dich bei wem erkundigt?«
»Über diesen Kerl da, der mich haben will. Ich muß mich ja erkundigen, weil ich nicht kostbare Zeit für einen Stümper opfere.«
Erst vier Fragen und Antworten später erfährt sie, daß Arnold von diesem
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