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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Singer
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er voller Weiblichkeit.«
    Mathilde lächelt.
    Und Genia lächelt im selben Augenblick. »Ja, Loos, es stimmt schon, du machst aus jeder Frau das Beste. |113| Stilistisch, jedenfalls. Dir kann man eine Dienstmagd vom Land anvertrauen, und sie wird dich als Dame verlassen. Aber geht dabei nicht etwas von ihr verloren? Etwas, was nur ihr gehört?«
    Loos grinst. »Ach Genia, Peters Romantik treibt auch bei dir ihre rosa Blüten. Obwohl der Rüpel von Altenberg sich mal wieder deiner wunderbaren Gastfreundschaft verweigert und sich lieber in irgendeiner Bar zudröhnt.«
    Hemme redet wenig, vielleicht weil er im Staatsdienst ist und dem Reden von Berufs wegen mißtraut. Deswegen hört jeder zu, wenn er mal etwas von sich gibt. »Manchmal kommt es mir vor, als hätten alle Männer hier ausgerechnet vor der Konkurrenz von Peter Angst. Denn da können sie nicht behaupten, es sei sein Geld oder seine Manneskraft, mit der er die weiblichen Wesen betört. Und ich finde, wenn du, Loos, gegen das Ornament und das Dekor kämpfst und Sie, Schönberg, dauernd davon reden, die Zukunft gehöre der reinen, der absoluten Musik – dann müßten Sie doch Genia recht verstehen.«
    Die Standuhr im Salon nebenan schlägt Mitternacht. In der Liechtensteinstraße ist nur der Kirchenglockenschlag zwölfmal zu hören. Mathildes weißer, weicher, kurzer Leib liegt beinahe reglos auf Arnolds rotgepolsterter Couch. Gerstl sitzt noch immer angezogen auf der Kante, während seine Hände dieses Land erkunden.
    »Und du machst nicht mit bei diesen lügenhaften Verwandlungen der Frauen, die zu Hause im offenen Schlafrock ungewaschen und unfrisiert herumlaufen und dann in ihrer Gesellschaftsrüstung auftreten, geschnürt und verpackt und mit teurem Schmuck dekoriert. |114| Schrecklich. Du bist einfach eine Frau. Nichts anderes.«
    Gerstls linke Hand öffnet Mathildes Schenkel. »Du bist keine Schauspielerin, du bist nicht kokett. Ich hasse kokette Menschen.«
    Ein leichtes Beben durchläuft die weiße Hügellandschaft von oben bis unten und dann noch mal ein Nachbeben. »Ich brenne, und ich brenne für dich. Auch wenn ich dabei verbrennen sollte«, sagt er.
    »Ach, sag nicht so große Sachen, da fühle ich mich noch kleiner«, murmelt Mathilde. »Sag mir lieber, warum du kokette Menschen haßt.«
    Gerstls linke Hand war immer schon sehr geschickt, sie zu benutzen, diese als böse verfemte Hand, war immer schon verboten. Hier nicht. »Weil sie«, sagt er, das neue Beben betrachtend, »alles nur als Schminke verwenden. Die kokettieren noch mit dem Selbstmord, wenn es grade zum Wetter oder zum Mantel paßt.«
    »Warum ziehst du dich nicht aus?« fragt sie. »Ich würde gern schmecken, wie du schmeckst. Überall. Oder …« – sie lächelt und blinzelt durch die Lider – »verbrenne ich mir da die Zunge?«
    »Gleich«, sagt das Mädchen der Schwarzwalds, »gleich geht’s los. Gleich wird das Dessert serviert.« Sie schaltet das Licht aus. Und alle Blicke richten sich zur Tür. Das flambierte Eis wird lodernd hereingetragen.
    Im Studierzimmer in der Liechtensteinstraße ist es jetzt auch dunkel. Die Christbaumkerzen sind heruntergebrannt. Und in dem Moment, als die letzten knisternd erlöschen, dringt er in sie ein. Da hört er neben ihrem leisen Stöhnen ein Geräusch. Und sieht ein Auge im erhellten Türspalt, vielleicht einen Meter |115| über dem Boden. Es ist keins von Schönberg, und doch ist es eins seiner Augen.
    Da schließt die Tür sich lautlos.

    Von hinten ist an seinen Schultern zu sehen, wie es ihn beutelt. Von tief innen heraus schluchzt er hart, fast lautlos. Noch nie hat einer ihn schluchzen sehen. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. »Sie ist weg, sie ist verschwunden. Keiner weiß, wohin. Die Polizei hat donauabwärts alles abgesucht. Nichts. Gar nichts.«
    Es beutelt ihn wieder, so daß er beinah vom Stuhl rutscht. Loos ist hinter ihn getreten und hat seine hageren Hände auf die gepolsterten Schultern gelegt. »Ich weiß, wie schlimm es dir geht«, sagt er. »Wo doch jeder sicher war, die Ehe sei glücklich. Fast jeder.«
    Die Casa Piccola ist um diese Uhrzeit, gegen halb fünf, gut besucht, denn die Mariahilfer Straße liegt für viele auf dem Weg, auf irgendeinem Weg. Und eigentlich ist es Zufall, daß nicht nur Loos, sondern auch Altenberg und Friedell hier um eben diese Uhrzeit gelandet sind. Die beiden anderen haben allerdings keine Lust, sich mit dem Jammernden näher zu beschäftigen, und entfernen sich nicht weit, aber

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