Wahnsinns Liebe
hat. Aber ich finde, es spricht nicht gegen ihn, nur für seine Sorge, schließlich war die Alma damals erst siebzehn. Nein, der Moll ist ein Guter.«
Mathilde hat wohl die Gefahr gespürt, daß ihr Geliebter, der gerade noch mit Kinderlippen ihre Brüste geküßt hat, am nächsten Tag dem in die Hand beißen könnte, der ihn füttern will. Und sie hat versucht, vorzubeugen, hat ihn langsam von oben nach unten gestreichelt. Von der Stirn über die Lider, die Brust ganz langsam abwärts über die Lenden bis zu den Zehen. Das mache ihn sanft, hat er behauptet, denn seine Stacheln würden dann weich wie ein Hasenfell.
»Ich komme.« Die Stimme aus der Küche klingt für Gerstl bedrohlich. Warum nur? Diese Frau war einmal Sängerin, und das ist ihrer Stimme noch immer anzuhören.
»Meine Frau macht die besten Buchteln der Welt«, sagt Moll und blickt auf die Wölbung seines Hemds.
Gerstl verschränkt die Beine unter dem Stuhl, weil das unbequem ist. Warum hat Anna Molls Organ sein Mißtrauen wieder geweckt? Warum hat sie ihm das kindliche Zutrauen mit einem Schlag geraubt?
Das Gefühl, irgendwie zufrieden zu sein, ist er jedenfalls wieder los. Angespannt, ohne sich anzulehnen, sitzt er da, während die anderen nach wie vor schwer in ihren Holzsesseln hängen, die nur durch wohlige Trägheit gepolstert sind.
|131| »Wollen Sie nicht zur Sache kommen, Herr Moll? Sie haben doch gesagt, sie müßten mich in einer wichtigen Angelegenheit sprechen.« Gerstl hört selber, daß sich seine Frage wie eine Kampfansage anhört. Zu spät.
Moll schaut den jungen Gast an, als verstünde er ihn nicht, aber er schaut erfreut. »Ich habe es geschafft, Gerstl«, sagt er. »Ich habe alle überzeugt: Sie können rein.«
»Großartig« sagt der Mann in Leutnantsuniform neben Gerstl, hebt den Hintern vom Stuhl, legt seine fleischrote Hand auf die Uniform und drückt das Kinn zum Hals. »Herr Moll, Sie sind nicht nur ein großer Künstler, Sie sind auch ein großer Mensch. Wir danken Ihnen.«
Gerstl dreht dem Uniformierten sein Gesicht zu. »Wir danken?
Wir
danken? Was redest du für einen Blödsinn daher, Alois.« Und dann, zu Moll gewandt: »Also: Mein Bruder dankt. Ich danke nicht. Warum sollte ich auch? Jaja, ich weiß, Galerie Miethke ist eine Adresse, die gut klingt. Fragt sich nur, was mir der gute Klang bringt.«
Moll starrt auf Gerstls Lippen, als läse er an ihnen ab, daß etwas Unwirsches aus ihnen herausdringt. Er legt die rechte Hand hinter die Ohrmuschel. »Entschuldigung: Könnten Sie das noch mal sagen?«
Gerstls Nase schwitzt. »Jetzt verstehe ich, warum Sie Ihre Frau aushalten«, sagt er.
»Aber Sie haben gerade etwas anderes gesagt.« Moll, immer noch die Hand hinterm Ohr, hat sich weit nach vorn über den Tisch gebeugt.
»Ich habe gesagt, daß ich mich frage, was mir das Ganze bringen soll.«
Moll läßt sich in den Stuhl zurückfallen und schaut |132| wie ein Losverkäufer, dem jemand das Glückslos zurückgibt. »Ihnen bringt, Gerstl? Erfolg natürlich, den Erfolg, auf den Sie so lange warten. Vergeblich bisher, wie ich weiß.«
Gerstl verschränkt die Arme. »Was, Herr Moll, wissen Sie denn? Daß es mit der Ausstellung im Ansorge-Verein nicht geklappt hat? Und mit der beim Hagenbund auch nicht? Das ist noch lange kein Grund, mich wie einen Almosenempfänger zu behandeln.«
Frau Moll trägt die schwarzemaillierte Reine an den Tisch. Ihr Gesicht ist gerötet und feucht. »Jetzt seid ruhig. Ich habe mir soviel Arbeit gemacht.«
»Ein schlagendes Argument, gnädige Frau«, sagt Gerstl.
Während sie die weißen, an den Seiten goldbraun glänzenden Hefepolster heraussticht und verteilt und mit Vanillesauce übergießt, verkündet Alois seine Bewunderung für Frau Molls Kleid, Halsschmuck und Buchteln, für Herrn Molls Güte, Milde und Kunst, für die Gartenmauer, die Tulpen und den Kaffee.
Gerstl sitzt schweigend da.
»Was gefällt Ihnen denn nicht an der Galerie Miethke?«
Der große Bissen in Molls Mund kann nicht verhindern, daß Gerstl die Frage versteht.
»Diese süßen Lügen von Klimt. Ihre Ausdünstung verklebt meine Bilder. Widerliche Vorstellung.« Er kippt seinen Kaffee hinunter wie Schnaps. »Hängen Sie diese klebrigen Schwarten ab, und ich bin zufrieden.«
Moll beendet die Arbeit an der ersten Buchtel, bevor er weiter redet.
»Ich höre schwer, aber ich bin nicht taub. Sie müssen |133| nicht brüllen, lieber Gerstl. Sie müssen nur einmal kurz daran denken …«
»Ich denke daran, daß es
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