Wahr
als beabsichtigt. Es war Rautalampi, er rief aus seinem Geschäft für Künstlerbedarf an, es ging um die Rahmung von Annas Bild. Eleonoora ließ die Sorge fahren.
»Der Ahlqvist, den mir jemand vorbeigebracht hat …«, eröffnete Rautalampi das Gespräch. Er sprach immer nur vom Ahlqvist, egal ob es sich um Eleonooras Vater persönlich oder nur eins seiner Bilder handelte. Wahrscheinlich war das sogar Absicht.
»Den habe nicht ich vorbeigebracht, sondern meine Tochter Anna. Sie wollte das Bild rahmen lassen, ich habe damit nichts zu tun. Ist es fertig?«
»Nein.«
»Worum geht es dann?«
»Ich bin auf etwas Merkwürdiges gestoßen. Könnten Sie vorbeikommen?«
»Haben Sie es schon bei Anna versucht? Das Bild soll ja in ihre Wohnung, also ist meine Tochter die richtige Adresse.«
»Absolut«, erwiderte Rautalampi. »Ich habe es längst bei ihr versucht, aber ich erreiche sie nicht. Ich kann natürlich auch bei Ahlqvist selbst anrufen.«
»Das wird Ihnen nichts nützen, ich glaube nicht, dass er an dem alten Bild interessiert ist. Ihm sind die Sachen aus unserem Sommerhausschuppen egal.«
»Der Fall ist ein wenig komplizierter.«
Jetzt reichte es Eleonoora. Unter Stress richtete sie ihre Gereiztheit unbewusst gegen Servicepersonal, Bankangestellte, Verkäuferinnen oder Tankstellenwärter, die nicht sofort das richtige Gerät zum Säubern der Windschutzscheibe fanden. Sie bekam ihre Aggressionen immer erst dann in den Griff, wenn es zu spät war. Plötzlich fiel ihr ein, wie sie einmal fürchterlich Krach geschlagen hatte, weil sie bei Rautalampi eine Tafel Schokolade bekommen hatte, die ihr Vater erst nach dem Mittagessen anbrechen wollte. Vielleicht sah Rautalampi in ihr noch immer dieses unbeherrschte Kind. Das brachte Eleonoora erst recht auf die Palme.
»Können Sie mir vielleicht verraten, wo genau das Problem liegt?«, fragte sie ungeduldig. »Ich habe es eilig.«
Rautalampi, der sich durch kaum etwas aus der Ruhe bringen ließ, sagte souverän: »Am besten, Sie kommen kurz vorbei.«
Sie fuhr die Rampe vor dem Krankenhaus hinunter und bog links in die Uferstraße ein. Ihre Wut richtete sich nun gegen ihren Vater, selbst wenn es sich nur um eins seiner Bilder handelte. In ihrer Jugend hatte sie sich regelmäßig über ihn aufgeregt: »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Kriegst du gar nicht mit, dass sich immer alles nur um dich dreht? Du denkst, du bist großartig und wichtiger als alle anderen. Aber in Wirklichkeit bist du nur ein schlechter Witz, und deine Kunst ist nur eine Ausrede dafür, möglichst viel allein zu sein!«
Ihr Vater hatte meist entspannt auf ihre Wutausbrüche reagiert: »Schön, dass du deine Eltern nicht idealisierst.«
Als sie die Tür zum Geschäft öffnete, sah Rautalampi sie über seine Brillengläser hinweg an.
»So«, sagte er gelassen.
»So?«, fragte Eleonoora gereizt.
»Ich musste die Leinwand aus dem Rahmen lösen.«
»Sie haben sie doch hoffentlich nicht beschädigt?«
Er sah sie abschätzig an, sein Gesichtsausdruck sagte: Ich beschädige keine Bilder. Halten Sie mich etwa für einen Idioten? »Kommen Sie mit.«
Hinter dem Verkaufsraum befand sich seine Werkstatt. Ein vertrauter Geruch nach Farben und Klebstoff füllte den Raum, Rahmen hingen an den Wänden. Wie früher, als gäbe es keine Zeit. Rautalampi führte sie hinter den Arbeitstisch. Das Bild, das Eleonoora vor sich sah, war nicht das mit den Apfelsinen.
Rautalampi, der sich jede Art von Dramatik verbot, führte das Gespräch weiter, als stünden sie in einem Gemischtwarenladen, in dem nur gerade der Kaffee fehlte. »Ich habe eine Erhebung unter dem Bild entdeckt, manchmal gibt es so was. Also habe ich es so sorgfältig wie möglich abgelöst, es liegt dort drüben. Man kann es natürlich jederzeit rahmen, daran hat sich nichts geändert. Aber jemand muss entscheiden, was jetzt mit diesem anderen Bild hier passieren soll. Es hat sich Jahrzehnte unter dem oberen befunden und ist perfekt erhalten. Eine ziemlich seltsame Arbeit für Ahlqvist, vielleicht hat er sie gerade deshalb verstecken wollen. Sie scheint sich an gewisse Vorbilder anzulehnen und zeigt ganz klar das intensive Bemühen, etwas Bestimmtes einzufangen. Dabei ist sie fast schon zur Karikatur geworden. Eine Art Imitation, aber ich weiß nicht, wer oder was das Vorbild war. Ihr Vater schien sich technisch nicht sicher gewesen zu sein, er hat verschiedene Dinge ausprobiert, aber glücklos, wenn ich das so sagen darf. Was soll nun
Weitere Kostenlose Bücher