Wahr
ausblieb, fragte er: »Bist du böse?«
»Wieso das?«
»Du siehst so aus.«
Elsa stand auf, ging um den Tisch herum, umarmte ihn. So verharrten sie lange, ohne Worte. Irgendwann sagte Elsa: »Ich vermisse die Jahre, in denen noch Zeit war zu streiten. Mir kommt es so vor, als würde ich nicht mal mehr fluchen können, so dicht steht der Tod vor der Tür.«
»Klar kannst du noch fluchen. Mach es einfach, sag › Verdammt nochmal‹.« Er spürte ihren feuchten, heißen Atem durch seinen Pullover.
»Verdammt nochmal«, sagte Elsa schließlich, fragend wie ein Kind.
»Siehst du.«
»Und, wirst du mich malen?«
»Hättest du es gern?«
Ganz leichthin, als würde sie von einem Ablaufdatum für Lebensmittel sprechen, vom Erdbeerpflücken, bevor die Hundstage kommen, von Frühkartoffeln, die später nicht mehr schmecken, sagte sie: »Ich weiß nicht. Aber wenn du dich dafür entscheidest, müssen wir uns ranhalten.«
Ein glücklicher Tag, wie früher. Leben im Haus. Anna und Maria räumten den Schuppen auf, mähten den Rasen, halfen zwischendurch bei der Sauna mit. Elsa saß auf der Veranda und genoss das Treiben und die Wärme.
»Ich sehe mir alles ganz genau an und präge mir jeden Baum und jeden kleinen Blaubeerhügel ein«, verkündete sie.
Nach dem Essen spielte Matias Gitarre, ärgerte Eleonoora mit Eleanor Rigby, was sie nicht mochte.
»Das Lied ist so traurig«, protestierte sie, »ich will das gar nicht erst mit mir in Verbindung bringen.«
»Aber es ist schön«, beharrte Matias.
»Ach, da bleibt doch jeder allein«, sagte Eleonoora. »Spiel lieber was anderes, Blackbird zum Beispiel.«
Matias spielte Blackbird, und alle freuten sich. Elsa schaute in die Bäume, ans Ufer. Eleonoora streckte die Hand nach ihr aus, strich ihr sacht über den Rücken. Da war es, ein gutes Gefühl, und es machte nichts, dass dieser Moment wahrscheinlich nicht wiederkehrte. Einmal war er da gewesen, satt und voll.
Sie rissen den Fußboden des gesamten Saunagebäudes ab. Anna wollte die alten Zeitungen aufheben, breitete fast ein ganzes Jahrzehnt auf dem Steg aus, beschwerte das Papier mit Steinen, hockte stundenlang gebückt über den Seiten, als würde sie mit dem Mikroskop seltene Pflanzen untersuchen.
Später kam sie zu ihm, als die anderen schon beim Essen saßen. Martti warf gerade die morschen Bretter auf einen Haufen.
»Das Feuer damals – es war wohl ziemlich groß?«, fragte Anna.
»Ich denke, ja«, antwortete er. »Jedenfalls waren es riesige Flammen.«
Anna baumelte leicht mit den Armen, verlagerte das Gewicht aufs andere Bein. Sie trug Jeans und Turnschuhe und hätte auch als Dreizehnjährige durchgehen können. Aber wahrscheinlich war sie längst klüger, als er dachte, beobachtete genauer. Kinder verändern sich unbemerkt. Erst sind sie eins oder zwei, dann fünf. Sie tollen mit Schwimmflügeln an den Armen durch den Garten, aber alles hat schon begonnen, sie durchschauen die Welt immer besser. Die Jahre vergehen, sie tragen andere Kleidungsstücke, entdecken neue Gesichtsausdrücke, sammeln ihr Wissen heimlich und tragen es still mit sich herum.
»Was ist mit den Bildern im Schuppen?«, fragte Anna.
Martti beugte sich vor, um das letzte Brett in der Ecke zu lösen, es krachte laut. Das Geräusch brachte ihm eine Zufriedenheit, für die er keinen Namen hatte.
»Was soll mit denen sein?«, fragte er.
»Ich habe überlegt, dass ich eins zu Hause aufhängen könnte.«
»Warum nicht, wenn dir was gefällt. Du hast vollkommen freie Wahl. Nimm doch eine von den alten Radierungen. Die habe ich früher mal ausprobiert, ziemlich mühsam, aber es hat Spaß gemacht.«
»Danke. Ich hab mir gestern alles angeguckt, ein paar Sachen sind richtig toll.«
Er registrierte, wie wohl er sich in ihrer Gesellschaft fühlte und dass er sie vermisste. Wann waren sie zuletzt ins Café gegangen und hatten sich unterhalten?
»Spielst du noch immer das Straßenbahnspiel und denkst dir ein Leben für die Leute aus?«, fragte er.
Anna lächelte über die gemeinsame Erinnerung. »Ja.«
»Sollen wir es nicht mal wieder zusammen ausprobieren? Wie früher?«
»Gern. Sobald wir wieder in der Stadt sind«, antwortete sie.
Er löste die Zeitung von dem Brett, derselbe Jahrgang wie die letzten. Die Titelüberschrift berichtete von Demonstrationen. »Sieh an. Ein Aufstand«, sagte er.
Anna nahm ihm die Zeitung aus der Hand und überflog den Artikel. »Der Aufstand gedeiht unter den Brettern«, sagte sie lächelnd.
14.
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