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Wahr

Wahr

Titel: Wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riikka Pulkkinen
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nach dem Boden, dann ging sie entschlossen zur Sauna. Woran ließ sich die Krankheit erkennen? Rein äußerlich an gar nichts. In Elsas Hosenbeinen steckten zwei dünne Stelzen, aber das ließ sich unter dem Stoff kaum ausmachen.
    »Anscheinend wird hier der ganze Boden abgerissen!«, rief Elsa ihm über das Grundstück zu. »Und sogar ein Teil der Wand!«
    Er öffnete die Tür zum Sommerhaus. Zärtlichkeit durchdrang ihn, ein intensives Gefühl für Tammilehto und die hier verlebten Tage. Der Geruch erinnerte ihn an morgendliches Kaffeetrinken, Schinkenbrote, Gurke und an eine staubige Nachmittagssonne im Küchenfenster. Anna hatte hier laufen gelernt, drei Jahre später Maria. Eleonoora und Eero waren im Garten getraut worden. Wie lange war das her? Fünfundzwanzig Jahre! Er hatte Eleonora geführt, ihre feuchte Hand gehalten, ihr angespanntes Lächeln wahrgenommen. Sie blieb kurz stehen, als würde sie es sich anders überlegen. Meine Tochter macht einen Rückzieher, hatte Martti gedacht. Er sah es schon in Bildern vor sich; er würde mit Ella zur Tankstelle fahren, ihr Schleier wie eine spaßige Ver­kleidung. Nach Gründen dürfte er nicht fragen, das taten Väter besser nicht. Sie würden Käsebrötchen und Kaffee kaufen und sich nicht um die Blicke der Leute kümmern.
    Aber Eleonoora hatte gesagt: »Gut, gehen wir.«
    Eero hatte ihr quer durch den Garten entgegengeblickt, sie lachte ihn verdattert an, als wollte sie sagen: Wie dumm, wie verrückt, mit dir will ich wirklich diesen Wahnsinn wagen?!
    Martti nahm einen Keks aus der Glasschale auf dem Tisch, ein schwarzweißer Domino. Er schmeckte alt, aber das machte nichts, der Geschmack passte zu diesem Ort.
    Elsa kam herein.
    »Lass uns Kaffee kochen«, sagte er.
    »Der gute Matias hat die halbe Sauna abgerissen«, sagte Elsa heiter.
    »Was faul ist, muss weg«, erwiderte er.
    »Vielleicht war es von Anfang an faul«, sagte Elsa.
    Er suchte in ihrem Blick nach einer tieferen Bedeutung für diesen Satz, suchte die bekannte, Verletztheit signalisierende Falte zwischen ihren Augenbrauen.
    Er zog Elsa an sich.
    »Wir hatten es doch damals eilig mit dem Bauen. Es sollte alles neu sein.«
    »Du warst derjenige, der es eilig hatte. Und die Sauna hätte man gar nicht renovieren müssen, dazu war gar kein Anlass.«
    »Kann sein. Vielleicht hast du recht.«
    Er schwieg, ließ seinen Blick wandern.
    »Ich habe neue Farben gekauft«, hörte er sich sagen. »Und Leinwand und Papier. Bin wohl ein bisschen übermütig geworden, mit den Sachen könnte ich einen kleinen Laden eröffnen. Aber so habe ich eine gute Auswahl, falls ich wieder anfange.«
    Elsa hob die Augenbrauen. »Das wäre doch schön.«
    Letzte Woche war er in Rautalampis Geschäft für Künstlerbedarf gewesen. Noch hatte er keine Ahnung, was er mit den neuen Farben anfangen sollte. Wollte er wirklich wieder malen? Es kam ihm fast unsinnig vor; trotzdem hatte er reichlich eingekauft.
    Rautalampi hatte gelacht, als er das Geschäft betrat: »Du willst es wieder wagen?«
    »Abwarten. Aber ich könnte mich mal nach Farben umsehen. Und du könntest mir diese Pigmente aus Frank ­reich bestellen, die ich früher schon hatte. Kriegt man die noch?«
    Rautalampi hatte sein Geschäft seit Jahrzehnten an derselben Adresse in der Uudenmaankatu. Viele Künstler bestellten ihren Bedarf inzwischen über das Internet, aber Martti war seinem Stammgeschäft treu geblieben; manche Dinge sollte man nicht ändern.
    »Ich wusste, dass du wiederkommst«, hatte Rauta­lampi freudig gerufen, »das habe ich mir jede Woche aufs Neue gesagt. Ahlqvist kommt wieder, der wird wieder anfangen zu malen.«
    Eine seltsam wohlige Scham hatte ihn befallen, er kannte sie aus seiner Jugend, wenn er beim Skizzieren ertappt wurde. Sie waren ins Hinterzimmer gegangen und hatten Kaffee getrunken, gemeinsam eine Pfeife guten Tabak geraucht. Als er das Geschäft mit den neuen Anschaffungen verlassen hatte, spürte er dieselbe Erregung wie als junger Mann.
    Elsa ging in die Küche und inspizierte die Schränke. »Wunderbar, Anna und Matias haben Kaffee gekauft.«
    Elsa ließ Wasser in die Kanne laufen und schnupperte wie immer mit geschlossenen Augen an der frisch geöffneten Packung, bevor sie den Kaffee in den Filter gab. Martti prägte sich ihre Bewegungen ein, brachte sie in Gedanken auf Papier. Elsa bemerkte seinen Blick, schaltete lächelnd die Kaffeemaschine ein. Es knackte, das vertraute Blubbern ertönte.
    »Ich setzte mich mal hierher«, sagte

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