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Wahr

Wahr

Titel: Wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riikka Pulkkinen
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Schoß.
    »Du malst Eeva«, stellt sie fest.
    »Ja.«
    »Sieht aber nicht aus wie Eeva«, sagt sie entschlossen.
    »Aber irgendwann doch, ich muss nur fleißig sein«, sagt er.
    »Dann ist Eeva endlich auf dem Bild und muss nicht mehr hier sitzen. Dann kann sie mit mir spielen.«
    »Ja.«
    »Darf ich einen Mond malen?«
    »Gern, aber auf einem anderen Stück Papier«, sagt er und reicht ihr ein Blatt aus seinem Skizzenblock.
    Sie kündigt an, doch lieber meine Nase zu malen.
    »Die können wir in dein Bild kleben, Papa. Nicht wahr? Guck mal, ich kann besser malen als du.«
    »Oh ja«, sagt er zerstreut, hört nicht mehr hin, denn jetzt hat sein Blick mich endlich erfasst.
    Das Mädchen wird ungeduldig und läuft zu mir. Ella will auf meinen Schoß, doch er verbietet es ihr.
    »Ella, nein.« Sie gehorcht nicht, er macht eine strenge Handbewegung Richtung Haus. »Ins Bett«, befiehlt er.
    Sie stampft mit dem Fuß auf, wirft die Farbpalette um und beschmiert die Schwelle.
    Er bleibt hart: »Schaffst du es, allein reinzugehen und noch ein bisschen zu spielen oder muss ich dich etwa rübertragen?«
    »Schaff ich allein.«
    Sie tut mir leid. »Ich kann mitkommen«, biete ich an.
    Er will nicht, dass ich gehe. Das Mädchen entscheidet für mich: »Ich gehe allein.«
    Entmutigt, mit gesenktem Kopf marschiert Ella davon, schleift Molla hinter sich her. Die Puppe pflügt mit ihren Zehen den Rasen, das Nachthemd des Mädchens streift die Kleeblüten.
    Wir bleiben zu zweit zurück. Es vergeht fast eine Stunde, bis er sich wieder ansatzweise konzentrieren kann. Er ist gereizt. Seine Schultern wirken starr, der Ausdruck seines Mundes bleibt herb. Er mischt Farben an, verdünnt sie. Er gibt zu viel Verdünner hinein und flucht.
    »Fängt das schon wieder an«, sage ich.
    »Was meinst du?«, fragt er.
    Er fordert mich heraus, aber ich gehe auf das Streitangebot nicht ein, schaue daran vorbei wie an einer alten Pappschachtel mit langweiligem Inhalt. Aber diese Schachtel steht zwischen uns. Ich wende den Blick ab, sehe hinunter zum See.
    »Guck hierher«, befiehlt er.
    »Und wenn nicht? Und wenn ich hingucke, wohin ich will? Und wenn ich schwimmen gehe?«
    Er stöhnt entnervt. »Das kennen wir doch alles schon, deine ewigen dummen Tricks. Du machst dich mit diesem Theater nur wichtig.«
    Ich seufze tief.
    Das gefällt ihm nicht. »Und jetzt schmollst du.«
    »Tue ich nicht.«
    »Tust du wohl, ich sehe es doch.«
    »Dann schaust du mich eben nicht richtig an«, sage ich.
    »Ich weiß ja wohl, was ich sehe!«
    »Das denkst du! Aber das bildest du dir nur ein. In Wahrheit siehst du überhaupt nichts. In Wahrheit sieht nämlich alles ganz anders aus, und du hast von nichts eine Ahnung.« Ich suche nach dem härtesten Satz, will ihn brechen. Plötzlich ist meine Zärtlichkeit nur noch Zierrat. Wir kämpfen einen Kampf, und ich will ihn vernichten. »Du hast mich nie richtig gesehen, nie. Du würdest mich nicht mal erkennen, wenn ich dir auf der Straße entgegenkomme.«
    Er knallt Palette und Pinsel auf den Boden, ist mit wenigen Schritten bei mir und presst mich an die Wand. Ich kann spüren, dass seine groben Hände einen blauen Fleck auf meinem Handgelenk hinterlassen. Einen Tag später wird diese Spur die geringste meiner Sorgen sein, wird ein Zeichen aus der Zeit sein, in der es keine Sorgen gab. Aber noch weiß ich das nicht. Er presst mir eine Hand auf den Mund, ich kann nicht mal protestieren. Die Wand drückt mir einen zweiten blauen Fleck in den Rücken.
    »Es ist deine Schuld, dass wir auf der Stelle treten! Du bist nie so, wie du vorgibst zu sein. Immer bist du jemand anders, du bist nie ganz da!« Er lässt mich los.
    Ich laufe. Stoße im Laufen die Staffelei um, sehe noch, dass er keinen Schritt vorangekommen ist, noch immer schwebe ich auf der Leinwand wie eine ätherische Erscheinung. Ich renne zum kleinen Tannenwald, den Hang hinauf. Würde ich stehenbleiben und innehalten, könnte ich den Rauch riechen, aber ich bleibe nicht stehen. Schon bin ich beim großen Felsen, drehe mich nicht um. Ich würde mich am liebsten in einen Baum verwandeln, oder mich wenigstens unter dem Moos verstecken. Aber ich stehe nur da, zittere. Meine Arme kribbeln, seine Hand scheint noch immer wie ein Knebel auf meinem Gesicht zu liegen. Ich muss warten, bis ich ihn den Pfad hochkommen sehe.
    Er bereut es. Er bleibt am Fuß des Felsens stehen. »Entschuldigung.«
    Ich wende mich ab. So leicht mache ich es ihm nicht.
    »Es ist Liebe.«
    »Was

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