Wahre Liebe lässt frei! - wie Frau und Mann zu sich selbst und zueinander finden
miteinander haben, dann stimme da etwas nicht. Eine gute Partnerschaft müsse auch unbedingt Sexualität miteinander beinhalten. Wenn keine Sexualität da sei oder Sexualität außerhalb dieser Beziehung gelebt werde, dann sollte das Paar oder der eine Partner doch mal zum Therapeuten gehen. Das könne ja so wohl nicht in Ordnung sein.
Es ist das Verdienst von Michael Mary, auf diese tief sitzende »Beziehungslüge« – wie er es nennt – aufmerksam zu machen: Diese bedeutendste Beziehungslüge – Partnerschaft und Sexualität seien untrennbar miteinander verbunden – fiele als Lüge nicht ohne Weiteres auf, weil sie in den Vorstellungen und Ansprüchen fast aller Menschen zu finden sei. Sie führe dazu, dass Partner, die das nicht leben, sich schuldig und minderwertig fühlten und meinten, als Partner versagt zu haben. 4
Bitte nehmen Sie in diesem Augenblick einmal die Gelegenheit wahr, Ihre eigene innere Reaktion, Ihre Gedanken und Gefühle hierzu zu erkennen bzw. zu spüren.
Was denken und fühlen Sie über ein Paar, das zusammenlebt, aber schon lange getrennte Schlafzimmer hat?
Was denken Sie über ein Paar, das zwar Wohnung, Geld und manch andere Interessen miteinander teilt, aber nicht den Genuss der Sexualität, sondern diesen mit jeweils einem anderen Menschen lebt?
Was würden Sie jemandem sagen oder empfehlen, der zu Ihnen kommt und darüber klagt, dass sein von ihm geliebter Lebenspartner keine Lust auf körperlichen Kontakt mit ihm hat, während er oder sie selbst sich nach wie vor sexuelle Freuden ersehnt?
Michael Mary weist nach, dass die angeblich notwendige Verbindung von Lebenspartnerschaft und Sexualität historisch sehr jung ist, nämlich erst seit dem 17. Jahrhundert gefordert wird. Er zeigt auf,
»dass es zu allen Zeiten Partnerschaften frei von Sexualität und sexuelle Beziehungen unabhängig von Partnerschaften gab,
dass alte Kulturen neben der Ehe über andere Formen legalisierter Geschlechtsbeziehungen verfügten,
dass das Gebot sexueller Treue in der Ehe auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist,
dass die öffentlich registrierte und unauflösliche Einehe erst im 17. Jahrhundert durch Kirche und Staat als einzig gültige Geschlechtsbeziehung zwischen Mann und Frau etabliert werden konnte,
dass die Idee, eine Ehe solle allein auf Liebe begründet sein und mit dem Zerfall der Liebe enden, erst in der Romantik aufkam, und
dass die Vorstellung, in einer Partnerschaft könne Sexualität durch ›Arbeit an der Beziehung‹ auf Dauer erhalten bleiben, erst im 20. Jahrhundert entstand.« 5
Mary unterscheidet darum folgerichtig zwischen »Lebenspartnerschaft« und »Sexualpartnerschaft«. In einer Lebenspartnerschaft
kommen Mann und Frau zusammen, um gemeinsam das tägliche Leben zu bewältigen. Sie deckt vor allem materielle und emotionale Bedürfnisse ab. Hierzu zählt insbesondere das Gefühl, zu irgendjemandem zu gehören, mit einem Menschen in einer Partnerschaft etwas Gemeinsames zu erschaffen, das einem das Gefühl von Sinn und Zugehörigkeit vermittelt wie auch das Gefühl, finanziell einigermaßen abgesichert zu sein. Viele Menschen haben das Bedürfnis nach gelebter Vertrautheit mit einem Menschen, nach Geborgenheit, nach psychischer Begleitung und emotionaler Unterstützung. Dies bietet der Lebenspartner.
Die Sexualpartnerschaft verfolgt ganz andere Ziele. Hier wünschen sich Frau und Mann das Ausleben triebhafter Lust, sexuelles Vergnügen, erotisches Erleben und sinnliche Erfüllung. »Alle kirchlichen und staatlichen Versuche, die Sexualität für die Fortpflanzung zu reservieren und auf die Ehe zu beschränken, sind katastrophal fehlgeschlagen, haben unendliches Leid hervorgebracht und doch an der ›Lust an der Lust‹ nichts, auch nicht das Mindeste, zu ändern vermocht. […] Sexualität widersetzt sich zäh und effektiv jeder Domestizierung.« 6
Natürlich kann es in einer Lebenspartnerschaft zweier Menschen zu leidenschaftlicher Sexualität kommen. Dennoch bestätigen viele Umfragen, dass Sexualität und Leidenschaft in einer Dauerbeziehung mit der Zeit abnehmen. Bereits nach fünf Jahren ist die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs um über fünfzig Prozent gesunken (laut einer Umfrage der Zeitschrift Eltern ). Und wenn Sie ein Paar kennen, das sich nach zwanzig Jahren Ehe noch leidenschaftlich begehrt und dieses Begehren auch auslebt, dann ist das schon eine Rarität. Auf jeden Fall ist es eher die Ausnahme
als die Regel, auch wenn Sexualtherapeuten und
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