Wahre Liebe lässt frei! - wie Frau und Mann zu sich selbst und zueinander finden
»spirituelle« Autoren vehement gegen diese Wirklichkeit ankämpfen und meinen, hieran könne man »arbeiten«.
Es gibt heute viele ältere Paare, die auf der guten Grundlage einer langen gemeinsamen Erfahrung – oft mit gemeinsamen Kindern, gemeinsam erschaffenem materiellem Wohlstand und auf der Basis von Vertrauen und Ehrlichkeit, tiefer Freundschaft und Liebe, beständigem und verlässlichem Füreinander-da-Sein – miteinander leben, in denen das Feuer körperlich-sinnlicher Leidenschaft füreinander jedoch schon lange erloschen ist. Ich sage »füreinander«, weil häufig zumindest einer von beiden – im einen Fall der Mann, im anderen Fall die oft zehn bis zwanzig Jahre jüngere Frau – nach wie vor große Lust auf gelebte Sexualität hat.
Was würden Sie diesem Partner raten, wenn Sie der Berater oder Therapeut wären? Ich persönlich ermutige den Menschen, der das Bedürfnis nach Sexualität verspürt, dies mit einem »Dritten« zu leben, wenn der eigene Partner es nicht mehr möchte. Dies ist ein Akt der Selbstliebe, der keineswegs mit der Liebe zum Lebenspartner kollidiert, sondern diese sogar stabilisieren kann. Ob der sexuell noch aktive Partner mit seinem Lebenspartner offen über sein Sexualleben kommunizieren kann oder will, hängt von der bisher gelebten Offenheit und den oft stillen Vereinbarungen beider Partner ab. Viele Lebenspartner wollen nicht wissen, mit wem der andere seine Lust lebt, akzeptieren oder tolerieren es aber stillschweigend. Andere können es ihrem Partner offen und von Herzen gönnen, weil sie ihn lieben und weil sie ihre eigenen Ängste und minderen Gedanken über sich selbst überwunden haben.
Dass sich zwei Menschen lieben, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch Sex zusammen haben müssen. Auch dies ist
ein großer Irrtum, dem viele Paare aufsitzen. Gibt es in Ihrem Leben keine Menschen, von denen sie sagen können: »Diesen Mann oder diese Frau liebe ich wirklich. Aber ich muss oder will nicht mit ihm oder ihr ins Bett gehen.«?
Beziehungsirrtum: Je mehr Nähe und Gemeinsamkeit, desto größer ist die Leidenschaft.
Manch spiritueller Ratgeber kommt bei der Schilderung der Entwicklungsmöglichkeiten in Beziehungen ins Schwärmen. Da ist viel vom Einswerden und von der »Hochzeit der Seelen« die Rede, denen die Körper folgen müssten. In der Alltagswirklichkeit der meisten Paare bleiben das Märchentöne.
Für mich steht fest, dass die immer wieder gelebten und eingespielten Gewohnheiten, Rituale und Verhaltensmuster eines Dauerpaares mit gemeinsamer Wohnung meist schnell zum Ende der leidenschaftlich-erotischen Anziehung führen. Die Sehnsucht der meisten Menschen, am liebsten »alles mit einem Partner zu haben, und das für immer«, ist zwar verständlich, aber da gehen Wunsch und Wirklichkeit seit Urzeiten getrennte Wege.
Leidenschaft lodert vor allem da, wo es um das Unbekannte, das Neue geht. Leidenschaft lebt von der Distanz, von der Neugier und von der Möglichkeit, etwas zu entdecken. Wer zehn Jahre mit einem Menschen in der gemeinsamen Wohnung mit Doppelbett lebt und dessen Gewohnheiten, Fehler und Macken so genau kennt, dass er schon voraussagen kann, was der andere heute zum Frühstück aufs Brot streichen wird, wann er zur Toilette geht und was er sagt und wie er schaut, wenn er abends zur Tür hereinkommt, der brennt nicht mehr darauf und glaubt auch
nicht mehr daran, mit diesem Menschen erotische Abenteuer oder leidenschaftliche Umarmungen mit Hitzewellen zu erleben. Und wer behauptet, das solle und könne aber hergestellt werden, wenn man an seiner Beziehung nur richtig arbeite oder zum Tantra-Seminar gehe, der will entweder was verkaufen oder er träumt seinen »spirituellen« Traum. Er macht sich jedoch mitschuldig am psychosexuellen Elend unzähliger Menschen. Auf diesem Gebiet reichen sich Therapeuten und Vertreter von Kirche und Religion die Hand. Gewohnheiten und Rituale in einer Partnerschaft können etwas Wunderbares sein, wenn sie bewusst und mit Freude gelebt werden und nicht deshalb, weil einem nichts Neues mehr einfällt bzw. das Beziehungsleben in sich erstarrt ist.
Unabhängig von der erotischen Leidenschaft ist für jede Beziehung wichtig, wie viel Zeit miteinander verbracht wird, wie viele Interessen und Aktivitäten gemeinsam erlebt werden und wie viel jeder für sich – ohne den Lebenspartner – unternimmt. Hier bedarf es meiner Meinung nach einer Mischung aus beiden Anteilen (die bei jedem Paar unterschiedlich ausfallen
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