Wahrhaft
erschüttert. Alexanders Offenheit oder seine traurige Geschichte. Es muss schlimm sein, ein Kind, dass man liebt, nicht mehr sehen zu dürfen und es komplett aus seinem Leben verbannen zu müssen. Was Alexander durchmachen musste, ist auf jeden Fall schlimmer, als meine Erlebnisse mit Tobias.
„Das tut mir sehr leid“, sage ich und lege eine Hand auf seinen Arm.
Er zuckt mit den Schultern. „Jetzt weißt du, warum ich Teil der WG bin.“
„Wie alt ist Mia denn heute?“, frage ich schnell. Wer weiß, wie lange Alex Redefluss anhält…
„Sie wird fünf“, erwidert er.
Ich nicke. „Dann hast du schon seit fast vier Jahren ein Zimmer in der WG?“
„Seit dreieinhalb Jahren“, antwortet er. „Und ich habe dort sehr nette und experimentierfreudige Damen kennengelernt.“
„Und was ist mit Liam und Marcus? Warum haben die beiden die WG gegründet?“, packe ich die Gelegenheit beim Schopf und stelle die Frage, die mich am meisten beschäftigt.
„Das musst du sie schon selber fragen“, erwidert Alexander und beendet damit das Thema.
So viel dazu, dass man zu seinen Gefühlen stehen sollte, denke ich.
Alexander hat seine Geschichte in vier Sätzen erzählt und will dann auch nicht mehr darüber reden. Problembewältigung sieht meiner Meinung nach anderes aus. Aber immerhin weiß ich nun ein bisschen mehr über ihn. Das ist doch ein Anfang. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich versuchen, noch mehr aus ihm heraus zu bekommen.
„Wir sind da“, meint Alexander kurze Zeit später und deutet auf die Einfahrt zur Tiefgarage.
Mit gemischten Gefühlen steige ich aus dem Wagen und betrete den Fahrstuhl. Mein Date mit Alex war aufregend und gefühlvoll, aber auch nervenaufreibend und emotional sehr anstrengend. Jetzt bin ich froh darüber, ein eigenes Zimmer zu haben. Ich brauche dringend ein bisschen Ruhe.
„Ich würde mich gerne ein bisschen in meinem Zimmer ausruhen“, sage ich, als wir aus dem Fahrstuhl treten. „Ist das ok?“
„Ja, natürlich. Mach das. Ich hoffe, unser Date hat dir wenigstens ein bisschen gefallen“, meint Alex und sieht mich erwartungsvoll an.
„Doch natürlich“, erwidere ich und lächele. „Danke für das nette Mittagessen. Wenn du mich dann entschuldigen würdest…“ Ich gebe ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und will dann verschwinden, doch Alex hält mein Handgelenk fest.
„Ich fand es sehr schön mit dir“, sagt er und sieht mir dabei direkt in die Augen.
Dieser Blick!, denke ich. Der sollte wirklich verboten werden. Alex Blick gleicht dem eines Hundewelpen, den man auf der Stelle adoptieren möchte. So können meiner Meinung nach nur Menschen mit braunen Augen gucken. Ich kann gar nicht anders, als ihn noch einmal zu umarmen.
„Ich danke dir“, sage ich erneut.
Alex erwidert meine Umarmung. Dann legt er eine Hand unter mein Kinn und hebt meinen Kopf, sodass ich ihm in die Augen sehen muss. Verdammt sei dieser Hundeblick!
Obwohl ich ihn e rst einmal lieber nicht mehr küssen wollte, wehre ich mich nicht, als seine Lippen sich meinen näheren.
So zärtlich er mich vorhin geküsst hat, so leidenschaftlich küsst er mich jetzt. Ich merke, wie ich schon wieder eine Gänsehaut bekomme. Ich denke an seine Berührungen im Dunkeln und ändere meine Meinung: Eigentlich will ich mich jetzt gar nicht mehr ausruhen.
„Wie ich sehe, war euer Date erfolgreich!“
Die Stimme in meinem Rücken lässt mich herumwirbeln. Liam steht mit verschränkten Armen keine zwei Meter entfernt und beobachtet uns belustigt.
„Kannst du mal aufhören, dich immer so anzuschleichen?“, knurre ich und löse mich aus Alex Umarmung. „Wegen dir bekomme ich noch irgendwann einen Herzinfarkt!“
„Daran wirst du dich schon noch gewöhnen“, meint er und macht eine wegwerfende Handbewegung. „Ich schleiche nämlich furchtbar gerne herum. Außerdem sehe ich dir gerne zu. Das solltest du mittlerweile wissen!“
Ja , das habe ich gemerkt, denke ich. Aber mich irritiert das. Ich bin es nicht gewohnt, ständig beobachtet zu werden.
„Hey Liam“, begrüßt Alexander seinen Mitbewohner. „Du bist früher zurück?“
Im Gegensatz zu mir wirkt Alexander kein bisschen irritiert. Für ihn scheint es ganz normal zu sein, dass er beobachtet wird und es scheint ihn auch nicht besonders zu stören.
Freaks, denke ich unwillig und schüttele den Kopf.
„Ja, mein Termin ging schneller vorbei, als ich dachte“, antwortet Liam. „ Hey Caroline, bekomme ich keinen
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