Wahrheit (Krimipreis 2012)
man einen Kameraschwenk auf den Premier, der keine Miene verzog, die zum Dach geformten Hände unter dem Kinn, und den stiernackigen Planungsminister Robbie Cowper. Dann ein Schwenk auf Orong, auf Gillam, auf Barry. Villani sah sich selbst. Schließlich verweilte die Kamera auf einem nickenden Paul Keogh.
»Das wird also das sicherste öffentliche Verkersmittel der Welt sein«, sagte Hendry. »Darauf gebe ich Ihnen mein Indianerehrenwort.«
Man sah ihn jetzt auf der Leinwand, fünf Meter groß, wie er seinen Schlips lockerte, ein Mann, der in den Pub kam, wo Freunde warteten. Er lächelte. Ein gutes Lächeln, das noch besser war, weil man so lange darauf gewartet hatte.
»Zweitens«, sagte er. »Ich verrate Ihnen ein Geschäftsgeheimnis. «
Das Warten.
»Wir sind habgierige Mistkerle. Wir hoffen, an dieser Sache Geld zu verdienen. Klar, habgierige Mistkerle haben einen Großteil der Welt gebaut. Manche Dinge, die dank der Habgier gebaut werden, überdauern die habgierigen Mistkerle, die sie gebaut haben.«
Mehr Beifall.
»Und so lautet unsere Botschaft an die Regierung des Staates Victoria und an die Bezirksräte: Vergesst den Bau weiterer Autobahnen. Sie lösen gar nichts und machen vieles noch schlimmer. Vergesst neue Tunnel. Die verlagern nur die Probleme eine Zeit lang in den Untergrund.«
Pause.
»Meine Damen und Herren, bei diesem Projekt geht es um das ernsthafte Bestreben, zu verhindern, dass diese Stadt am Straßenverkehr erstickt. Auf den Hauptverkehrsadern können wir mindestens zwanzig Prozent der Personenwagen von der Straße holen. Wir können den Ausstoß von Treibhausgasen dramatisch senken. Es ist der grünste Beschluss, den eine Verwaltung nur fällen kann. Es ist ein Geschenk an die Gegenwart und an die Zukunft.«
Beifall, Blitzlichter, Hendry atmetete durch.
»Was wird es kosten? Ehrlich gesagt, wir wissen es noch nicht genau. Einen Haufen Kohle. Unsere Leute sind gerade dabei, das alles auszurechnen. Streben wir eine Art Public Private Partnership an? Auf keinen Fall. Haben wir Gangster von irgendwelchen Handelsbanken an Bord geholt? Die können uns mal. Aber wollen wir finanzielle Beiträge der Regierung? Na klar wollen wir die. Beiträge von Regierungen auf allen Ebenen, bei der Bundesregierung angefangen.«
Lauter, langer Beifall.
»Sie werden nun vielleicht fragen, warum erfolgt diese Bekanntgabe
ausgerechnet jetzt? Weil wir privat schon mehr als genug geredet haben. Wir haben uns die Münder fusselig geredet und nichts weiter bekommen als höfliche Interessenbekundungen. Jetzt wollen wir uns an die Menschen wenden.«
Donnernder Applaus.
»Dieses gewaltige Projekt verzweigt sich in alle Richtungen. Es ist ein auf jeder Ebene politisches Projekt. Da die Wahlen in diesem Bundesstaat bevorstehen und die Wahlen im Bund in weniger als einem Jahr stattfinden, möchten wir, dass die Bewohner dieser Stadt den gewählten Vertretern in Stadt, Land und Bund klarmachen, dass sie das sauberste, grünste, schnellste, sicherste Transportmittel der Welt haben wollen.«
Jemand reichte Hendry ein Glas Wasser. Er hielt es hoch.
»Was ist das für eine Flüssigkeit? Entsalztes Wasser? So was kommt mir nicht in den Hals.«
Gelächter.
»Mr. Premier, Frau Oppositionsführerin, Parlamentsabgeordnete, Bürgermeister, Stadträte, ich bitte Sie inständig, denken Sie über diese Chance nach, etwas Wichtiges für Ihre Stadt, Ihren Bundesstaat und, in kleinerem Umfang, für Ihr Land und Ihren Planeten zu tun.«
Eine Kamera war auf den ungerührten Premier gerichtet, eine andere auf Karen Mellish. Sie ließ sich ebenfalls nichts anmerken.
»Ich danke Ihnen«, sagte Hendry. »Dieses Projekt hat mich drei Jahre meines Lebens gekostet, drei Jahre habe ich mein eigenes Geld ausgegeben, was schmerzt, das können Sie mir glauben. Das habe ich gemacht, weil ich voller Leidenschaft daran glaube. Es ist das Beste, was ich in meinem Leben leisten werde.«
Langer und emotionaler Beifall. Hendry wartete erneut.
»Ich fordere Sie alle auf«, sagte er, »und ganz besonders diejenigen von Ihnen, die in wenigen Wochen zur Wahl stehen,
sich öffentlich für oder gegen dieses Projekt zu erklären. Prinzipiell. Mehr verlangen wir gar nicht. Dann lassen wir die Bürger dieser Stadt und dieses Staates mit ihren Stimmzetteln entscheiden.«
Der Applaus hielt Minuten lang an. Gillam, Barry und Orong stimmten nicht mit ein. Clinton Hulme war umso lauter.
»Besser kann eine Rede nicht sein«, sagte er zu Villani. »Was
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