Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
Yeats lachte, die Zähne blitzten, und er sah einen Mittsechziger an, braun gebrannt, kurz geschnittene graue Haare: Max Hendry. Die füllige, blinzelnde Frau des Premiers unterhielt sich mit Vicky Hendry, Max’ zweiter, dritter oder vierter Frau, ein Hingucker, kurze, blonde Haare. Als sie an ihr vorbeigingen, bemerkte sie Villani, erwiderte seinen Blick.
    Dann kam Infrastrukturminister Stuart Koenig, im Gespräch mit Tony Ruskin und Paul Keogh, Radiomoderatoren am Ende eines Arbeitstags, mancher Menschen Arbeitstag, zwei selbst ernannte Meinungsmacher. Sich vor einer Wahl
bei ihnen einzuschleimen, dürfte für beide Parteien Priorität haben.
    Sie näherten sich einem aufgebrezelten Paar, Oppositionsführerin Karen Mellish, Mund wie ein Schlitz, Raubvogelgesicht, und ihrem Mann Keith, den man gewöhnlich einen Farmer nannte, was seine weichen Hände widerlegten.
    Aus fünf Metern Entfernung sah Villani ihre Zielpersonen, zwei Champagner trinkende Männer: den Polizeiminister Martin Orong, ein wolfsgesichtiger Dreißigjähriger, schwarze Haare, fettige Haut, das neueste Modell eines politischen Strippenziehers aus der Vorstadt, und David Gillam, den Polizeichef.
    Als sie näher kamen, rückte Gillam seine Uniformjacke zurecht. Die einzelnen Gesichtsteile waren für das zugehörige Gesicht eine oder zwei Nummern zu groß, als wären sie zu schnell gewachsen, ähnlich wie die Füße eines Jugendlichen.
    Barry kam zuerst an, schüttelte Hände. »Ich möchte Ihnen gern Inspector Stephen Villani vorstellen, den Leiter des Morddezernats«, sagte er.
    Orong begrüßte ihn mit einem betont festen Händedruck, den Villani nicht erwiderte.
    »Was macht diese Oakleigh-Scheiße?«, fragte Orong mit piepsiger Stimme.
    »Wir kommen voran, Herr Minister«, sagte Villani.
    »Drogen. Geben Sie’s an Crucible ab.«
    Villani sah Barry an, dann den Chief Commissioner, konnte ihren Mienen nichts entnehmen.
    »Das Morddezernat ermittelt in suspekten Todesfällen«, sagte er. »Ich bin Traditionalist, Herr Minister.«
    Gillam lutschte an seinen Zähnen. »Tradition, unbedingt. Steve, der Minister hat gerade von einem Balanceakt gesprochen. Die Öffentlichkeit informieren, das versteht sich von selbst. Ohne sie übermäßig zu beunruhigen. Stimmt’s, Herr Minister?«

    Orong sah Barry und Villani an. »Unbedingt«, sagte er. »Habe mich gerade heute mit dem Premier darüber unterhalten. Ein Balanceakt, darauf läuft es hinaus.«
    Orong winkte sie näher. Gillam und Barry neigten sich zu ihm hin.
    »Ein Beispiel ist Prosilio«, sagte er und sah dabei Villani an, »man will nicht, dass irgendeine Nuttengeschichte ein Multimillionen-Dollar-Projekt beschädigt, ein Vorzeigeprojekt, ein Kronjuwel dieses Bezirks.«
    Villani sah weg, auf die Leute, die sich über die teuren Häppchen, den französischen Champagner hermachten. Früher hatte Laurie Pröbchen und Reste mit nach Hause gebracht, die sie am Küchentisch aßen, dazu Wein tranken. Was häufig in Sex mündete.
    »Man findet jeden Tag tote Schlampen, stimmt’s, Inspector? «, sagte Orong.
    Villani hörte wieder zu.
    »Hundescheiße an den Schuhen der Gesellschaft. In miesen Gassen.«
    Das schöne Mädchen in dem Badezimmer im Himmel, die offenen Handflächen, das gebrochene Genick, immer und immer wieder nach hinten gerissen, bis der Mann hinter ihr die Befriedigung fand, die er suchte.
    Lizzie. Sie sah aus wie Lizzie.
    Wer kümmerte sich um Lizzie? Ihre Mutter nicht, ihre Mutter versorgte irgendwo ein Filmteam mit Essen. Wo? Was hatte Corin gesagt? Er hörte bei Familiendingen nicht richtig zu.
    »Gewiss finden wir tote Frauen in Gassen, Herr Minister«, sagte Villani.
    »O ja«, sagte Barry.
    »Drogensüchtige Schlampen«, sagte Orong. »Fort mit Schaden.«
    »Kann ich Sie verleiten, meine Herren?«, sagte ein Pinguinmädchen
und hielt ihnen ein silbernes Tablett mit winzigen Pastetenhäppchen auf Zahnstochern hin. »Blaue Schwimmkrabbe mit foie gras en croûte «, sagte sie. »Aber falls Sie nicht auf Meeresfrüchte stehen, hole ich …«
    Der Minister nahm zwei. Gillam und Barry folgten seinem Beispiel. Villani nahm eins. Das waren dann wohl vier Dollar pro Happen.
    Orong kippte sich zu dem Happen Champagner in den Mund, kaute, sah sich um. Das Pinguinmädchen war in der Nähe.
    »Mehr, Sir?«, fragte sie.
    »Klar«, sagte Orong.
    Er stellte sein Glas auf ihr Tablett und schmiss sich Häppchen in den Mund – eins, zwei, drei, vier, fünf, er sammelte Zahnstocher. Mit vollem Mund

Weitere Kostenlose Bücher