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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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seinen Aufgaben gewachsen, Stevo«, sagte Cameron. »Hat sich von Colby, Dance und Singleton freigeschwommen. Was gut ist für einen Mann Ihres Alters. Einen reifen Mann, einen Familienvater.«
    In dem überfüllten Raum, dem Trubel, schufen Camerons Worte ihre eigene Stille.
    »Ich muss weiter«, sagte Cameron. Er sah über Villanis Schulter hinweg, hob die Hand, grüßte jemanden. »Bleiben Sie normal.«
    Cameron ging, und Villani sah ihm nach.
    Anna. Camerons Hand lag auf ihrem Arm. Sie berührte die Hand.
    Er sah, wie Cameron sich bückte, Anna auf die eine Wange küsste, auf die andere.
    Herrje, wann hatte der Mann mit dem Scheiß angefangen? Als er zuletzt sah, wie Cameron sich bückte, um jemanden zu küssen, hatte er Joey Colombaris einen Stirnkuss verpasst, woraufhin der Penner so lange blutete, dass sie das gesamte Klopapier aufbrauchten und die Sanitäter rufen mussten. Joey entpuppte sich als Bluter, brauchte eine Transfusion, wäre fast gestorben.
    »Die letzten Tage waren nicht die besten«, sagte Hendry junior. »Das Kasino macht mich zur Schnecke, das Hotel,
diese verdammten Marscay-Leute. Eigentlich sollte ich am Strand sein.«
    »Ein schwerer Schlag«, sagte Villani. »Eins noch: Diese Sache bleibt Ihnen erhalten. Sie und Marscay und Orion können uns verarschen, aber wir bleiben am Ball.«
    Hendry hob die Hände. »Nein, nein, wir wollen genau wie jeder andere wissen, was da oben passiert ist. Wir kennen unsere Pflichten. Aber die Technik hat uns im Stich gelassen. Die verdammten Israelis haben uns in diesem Spitzenlabor in Herzliya eine Vorführung gegeben. Alles klappte wunderbar. Unendlich skalierbar, hieß es. Sie wissen, was das …«
    »Ich weiß, was das heißt«, sagte Villani.
    Ein Paar war hinter Hendrys Schulter aufgetaucht, eine große, schlanke Frau, helle Haare, Herrenschnitt, das lose fallende Hemd gab den Blick auf Kuhlen an ihren Schlüsselbeinen frei, die so tief waren, dass sie Wasser aufnehmen könnten. Auf ihren Schultern könnten Vögelchen sitzen, sich vorbeugen und trinken. Der Mann hatte einen rasierten Schädel, einen verschleierten Blick und war Kunsthändler, Daniel Bricknell, häufig in den Medien.
    Sie legte eine Hand auf Hendrys Schulter. »Liebling, dieser Orong-Utan hat mich angebaggert«, sagte sie.
    Sie lächelte Villani an. »O Mist, er ist doch wohl nicht Ihr bester Freund?«
    »Wir sind wie Brüder«, sagte Villani.
    »Caitlin Harris, Daniel Bricknell, Stephen Villani«, sagte Hendry. »Stephen ist Chef des Morddezernats.«
    »Ich weiß, wer Stephen ist«, sagte sie. »Ich habe Stephen im Fernsehen gesehen. Das ernste Gesicht. Das macht mich echt an. Stephen, ist es wirklich so wie in dieser alten City Homicide -Serie?«
    »Nur die Namen wurden geändert«, sagte Villani.
    »Leibhaftig sind Sie gar nicht übel«, sagte sie. »Ohne Makeup, meine ich. Das ist selten.«

    »Hat mich gefreut«, sagte Villani. »Ich muss los, mich um Leichen kümmern.«
    »Ich lebe noch«, sagte Caitlin. »Um mich muss man sich ganz besonders kümmern.«
    »Verzeihen Sie ihr«, sagte Hendry. »Das Schönheit-Hirn-Ungleichgewicht. Wissenschaftler arbeiten daran.«
    »Das Schönheit-Hirn-Ungleichgewicht ist völlig in Ordnung«, sagte Bricknell. »Was ich nicht mag, ist das Hässlich-Hirn-Gleichgewicht. «
    Villani ging dicht an Anna vorbei, Cameron war verschwunden, sein Blick traf den ihrer grauen Augen, er war ein Fremder, las nichts in ihnen.
    Bei der Tür tauchte aus dem Nichts Barry auf. »Ein lohnender Ausflug, Jungchen. Mit den richtigen Leuten reden. Es schadet nichts, Leute kennenzulernen, stimmt’s?«
    »Danke für die Einladung«, sagte Villani.
    »Gern geschehen. Sie kamen echt gut an. Vielleicht ein kleiner Vorschlag?«
    »Ja?«
    »Mehr lächeln. Sie können ein wenig abweisend, ein wenig grimmig sein. Dadurch fühlen sich die Leute unbehaglich, verstehen Sie? Als wollten Sie sie jeden Moment verhaften.«
    Villani lächelte, spürte den Widerstand seiner Wangenmuskeln. »Verstanden, Chef«, sagte er.
    »Ausgezeichnet«, sagte Barry. »Und jetzt heißt es: früh ins Bett. Das ist ein Befehl.«

A uf dem ganzen Heimweg ging ihm Anna nicht aus dem Kopf. So apart, so hübsch. Und so intelligent, so selbstsicher. Von all den schicken Leuten um sie herum konnte sie sich jemanden aussuchen. Warum hatte sie mit ihm geschlafen? Vielleicht war sie wie er, vielleicht verspürte sie eine Art Besitzdrang.
    Im Haus war es dunkel, das Gemurmel des Fernsehers kam von hinten, aus dem

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