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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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einen nicht sehen. Schauen Sie auf das Kamerabild, nicht auf die Zielperson. «
    »Hat er mich gesehen?«
    »Ein Blinder mit ’m Krückstock konnte Sie sehen.«
    Er berichtete Dove von Phipps. »Hört sich für mich plausibel an.«
    »Ich sollte also …«
    »Den Minister morgen aufsuchen«, sagte Villani. »Lassen Sie sich einen Termin geben, es sei dringend.«
    »Heißt das ich oder… ?«
    »Wollen Sie das machen? Sie und Winter?«
    Dove sah ihn nicht an. »Nicht unbedingt, Chef.«
    »Na schön. Sie und ich. Und was Preston betrifft, Sie sollten
überprüfen, ob es da irgendwelche Verbindungen zu Prosilio gibt.«
    »Schon erledigt. Hab die Anweisung erteilt.«
    Sie fuhren schweigend weiter.
    »Allmählich verstehe ich, was den Job ausmacht«, sagte Dove, »Chef.«
    »Diesen Job oder den Job generell?«
    »Den Job generell. Das ganze Elend.«
    »Aufkommende Weisheit«, sagte Villani. »Noch ist Zeit, das Weite zu suchen. Warum sind Sie Cop geworden?«
    »Um meinen Vater zu ärgern«, sagte Dove. »Er hat Cops gehasst.«
    »Damit ärgern Sie ihn bestimmt«, sagte Villani. »Darüber sollte er sich grün und blau ärgern. Ich will in die Avoca Street. Wissen Sie, wo das ist?«
    »In Highett, Yarraville oder Brunswick?«
    »Probieren wir es mit South Yarra, bitte. Fahren Sie die Punt Road runter.«
    Als sie den Yarra River überquerten, sagte Villani: »Warum hat Ihr Dad Cops gehasst?«
    »Die haben ihn verprügelt«, sagte Dove. »In Sydney. Mehr als einmal.«
    »Wieso das denn?«
    Dove sah ihn aus seinen dunklen Augen an. »Die gleiche Hautfarbe wie ich. Die falsche Farbe.«
    »Hat er Ihnen verziehen?«, fragte Villani. »Ich würde Ihnen nicht verzeihen.«
    »Er glaubt, dass ich angeschossen wurde, ist meine Strafe«, sagte Dove. »Er glaubt, wir alle würden für unsere Sünden bestraft. Zu gegebener Zeit.«
    »Da könnte er durchaus recht haben«, sagte Villani. »Und meine Zeit ist da.«

G egen Ende der Nacht weckte ihn ein Geräusch von der Straße, quietschende, durchdrehende Reifen, sie waren beide nackt, die Decke beiseitegeworfen, lagen im Licht, das durch das nicht abgedunkelte Fenster fiel. Sie schlief auf dem Rücken, drehte ihm das durch eine Haarsträhne verdeckte Gesicht zu, die Hände am Hals gefaltet, die Hüftknochen standen vor, er sah das dunkle Dreieck.
    Der Schlaf war vorbei, ein neuer Tag, aber der alte war noch in seinem Mund – alter Tag, alte Woche, alter Monat, altes Jahr. Ein Mann mittleren Alters ohne Adresse, sein Hab und Gut war im Kofferraum seines Wagens.
    Villani ließ sich vom Bett gleiten, stand auf, sammelte seine Klamotten ein.
    Anna rührte sich, drehte sich auf die rechte Seite.
    In dem schmutzig-schwachen Licht wartete er, bis sie zur Ruhe gekommen war, betrachtete ihren anmutigen Körper, verspürte eine Traurigkeit, ging leise ins Bad, duschte in der großen Schieferkabine, dachte nach über seine Gefühle für sie, wie dumm das alles war, wie sehr er es genoss, mit ihr zusammen zu sein, sich mit ihr zu unterhalten, wie sie ihn ansah. Seit seinen ersten Monaten mit Laurie hatte ihn keine mehr so angesehen.
    Ich bin in sie verliebt.
    In Worten. Ein dummer, kindischer Gedanke. Er schüttelte den Kopf und straffte sich mit einem kurzen Erbeben, als könnte er ihn damit vertreiben.

    Irgendwann in dieser Nacht, als die Körper abkühlten, die Augen auf die Zimmerdecke gerichtet waren, die Vorhänge offen standen und Lichter von draußen an der Decke spielten, sagte er: »Die Männer in deinem Leben.«
    Ein langes Schweigen.
    Dann sagte sie: »Die Männer, die Männer, o Gott, wo soll ich anfangen? Mit meinem Dad?«
    »Nur die guten Erinnerungen, bitte. Kein Missbrauch. So was kann zur Anzeige gebracht werden.«
    Ihr rechter Arm über ihm, ihr Mund nah, er spürte ihren Atem. »Scheißkerl. Warum willst du das wissen?«
    Er wusste, was sie meinte. Er wusste keine echte Antwort.
    »Als Polizist«, sagte er, »muss ich das wissen.«
    »Nun, ich gestehe, dass ich mit Männern nicht viel Glück hatte«, sagte sie.
    »Wie sieht Glück aus?«
    »Eine Kombination aus älterem Bruder und Vater. Aber nicht mit einem verwandt.« Sie berührte mit geöffneten Lippen seinen Hals.
    »Schwierig«, sagte er. »Wir können Fotos vergleichen, dann die DNA, vielleicht findet sich was.«
    Anna biss ihn in die Schulter, sanft, wie eine Katze.
    »Wenn man davon absieht, deine Familie zu klonen«, sagte Villani.
    Sie legte sich um, drehte sich, veränderte ihre Lage, Kopf auf seinem

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