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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Delia fernhalten wollte und es gleichzeitig nicht fertig brachte, und ganz besonders, weil wir beide, als ich dann bei ihr vor der Tür stand, so verlegen waren, daß ich mir unter dem erstbesten Vorwand, der mir einfiel, Sophie geschnappt und das Weite gesucht habe.
    »Lügner?« wiederhole ich. »Wie bitte?«
    »Du küßt sie doch andauernd«, sagt Sophie. »Und du nimmst sie in die Arme. Wenn du von einer Reise wiederkommst.«
    Ja, mag sein. Aber das sind die kleinen Wangenküsse und kameradschaftlichen Umarmungen eines Freundes; eines Freundes, der ein paar Zentimeter Abstand zu ihrem Körper hält, so daß wir uns nur an den Schultern berühren.
    »Sie riecht gut, nicht?« fragt Sophie.
    »Sie riecht toll«, pflichte ich ihr bei.
    »Man darf sich küssen, wenn man sich liebt.«
    »Ich liebe deine Mutter nicht«, sage ich. »Jedenfalls nicht so.«
    »Du gibst ihr immer von deinen Pommes ab, auch wenn sie dir nichts von ihren Zwiebelringen abgibt«, sagt Sophie. »Und wenn du ihren Namen sagst, dann hört sich das immer irgendwie anders an.«
    »Wie denn?«
    Sophie überlegt. »Wie unter einer Wolldecke.«
    »Stimmt gar nicht. Wenn ich den Namen deiner Mutter sage, hört sich das nicht wie unter einer Wolldecke an. Und ich gebe ihr auch nicht immer von meinen Pommes ab, weil du nämlich recht hast, sie gibt mir nie was.«
    »Aber du wirst auch nicht böse auf sie, wenn sie gemein ist«, sagt Sophie. »Weil du ihr nicht weh tun willst.« Sie schiebt ihre Hand in meine und stellt fest: »Du hast sie lieb.«
    Sic läuft ohne mich zum Spielplatz. Es ist so lange her, daß ich in Sophies Alter war, ich habe einfach vergessen, daß es Bauklötzchen für die Liebe gibt und daß das Leben mit Trost und Behaglichkeit beginnt. Als ich klein war, bei wem war ich da am meisten ich selbst? Wem konnte ich von meinen Fehlern erzählen, von meinen Träumen, meiner Geschichte? Meinen Eltern, der Erzieherin im Kindergarten. Delia, Eric. Das waren die ersten Menschen, in die ich verliebt war.
    Könnte es wirklich noch immer so einfach sein? Könnte es sein, daß romantische Liebe und platonische Liebe und Elternliebe alles verschiedene Facetten ein und desselben Diamanten sind?
    Nein, weil ich nicht mehr in Sophies Alter bin. Nein, weil ich weiß, wie es sich anhört, wenn eine Frau, sobald sie in den Schlaf sinkt, den Mantel dieser Welt mit einem Seufzer abstreift; nein, weil ich in die Wiese ihres Körpers gefallen bin. Nein, weil ich, als ich mich einmal in der sechsten Klasse mit einer Mathehausaufgabe herumschlug, begriffen habe, daß das, was Delia für Eric empfand, nicht das war, was Delia für mich empfand, und daß es in dieser Gleichung kein Gleichheitszeichen gab, sondern nur ein g rößer-als.
    Ich überlege, ob Sophie mich vielleicht besser kennt als ich mich selbst. Es stimmt, ich balanciere das Wort Delia wie ein zartes Gut auf der Zunge. Ja, ich würde ihr meine allerletzten Pommes geben. Und ich habe sie bei jeder akzeptablen Gelegenheit geküßt. Und ich habe es ihr nie übelgenommen, daß sie nicht mich liebt. Aber genau da liegt Sophie falsch: Nicht weil ich ihr nicht weh tun will. Sondern weil ich es bin, der Schmerzen hat, wenn sie verletzt ist.
    Ich lasse mir sehr viel Zeit für die Rückfahrt zu Delias Trailer, was albern ist, denn ich kann ihr ohnehin nicht ewig aus dem Weg gehen. Vielleicht will sie ja so tun, als wäre der Kuß nie passiert. Vielleicht kann ich mich einfach entschuldigen, und wir können uns weiter etwas vormachen.
    Aber als wir ankommen, ist ihr Wagen nicht da. Sophie steigt aus und läuft die Stufen zum Trailer hoch. Ich zögere kurz, doch bevor ich mich aus dem Staub machen kann, kommt Eric heraus und hebt zur Begrüßung eine Hand.
    Er sieht furchtbar aus. Er hat dunkle Schatten unter den Augen, und seine Kleidung ist so zerknittert, als hätte er drin geschlafen. »Du, Fitz«, sagt er, »wegen neulich ...«
    Ich stehe da, wie vor den Kopf geschlagen. Hat Delia es ihm erzählt?
    Er seufzt. »Es war unfair von mir, Delia zu sagen, daß du über Andrews Prozeß schreibst.«
    Im Vergleich zu meiner Verfehlung erscheint mir seine tausend Lichtjahre weit weg. »Mir tut's auch leid«, sage ich und meine meinen Fehltritt. Ich fummle am Griff der Autotür herum.
    »Verzeihst du mir, daß ich mich wie ein Idiot benommen hab?«
    »Hab ich längst.«
    »Wieso läufst du dann davon wie von einer Tarantel gestochen?«
    »Nicht deinetwegen«, gebe ich zu.
    »Aha.« Eric kommt näher. »Dann muß es

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