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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
Autoren: Jodi Picoult
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mitgenommen. »Nein, habe ich nicht.«
    »Weil Sie das Vertrauen hatten, daß Mr. Talcott sie zurückbringt, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Genau wie Ihre Mutter an dem Tag, als Sie bei Ihrem Vater waren?«
    »Einspruch«, ruft Eric, aber Emma spricht schon wieder.
    »Sie haben keine genaue Erinnerung mehr daran, daß Ihre Mutter getrunken hat, ist das richtig?«
    Ich blicke die Staatsanwältin an. »Doch, habe ich«, sage ich. Eric ist überrascht. Ich bin noch nicht dazu gekommen, ihm davon zu erzählen. »Sie ist einmal für eine Woche weg gewesen. Damals wußte ich nicht, wo sie war. Ich habe angenommen, es wäre meine Schuld. Ich hatte mich oft bemüht, ihr nicht im Weg zu sein, und da dachte ich, sie hätte endlich einen Weg gefunden, mir zu entgehen.«
    »Hat Ihr Vater Ihnen je erzählt, wo Ihre Mutter in der Zeit war?«
    »Nein«, sage ich. »Aber sie hat es mir erzählt. In einer Reha-Klinik.«
    Emma lächelt erfreut. »Ihre einzige Erinnerung an Ihre Mutter ist also die, daß sie aktive Schritte unternommen hat, von ihrer Alkoholsucht loszukommen?«
    Und trotzdem ist Ihr Vater mit Ihnen auf und davon? Ich schüttele den Kopf, um die Worte loszuwerden, die sie nicht gesagt hat, und da passiert es -eine weitere Erinnerung regt sich, irgend etwas blendet mich - ein Spiegel vielleicht, der die Sonne einfängt. Meine Mutter hält ihn. Na komm, Beth, das war schließlich deine Idee , sagt sie. Es kostet mich Kraft, den Hügel hinaufzustapfen. Sie setzt sich darauf - es ist kein Spiegel, sondern ein Silbertablett. Ich krabbele zwischen ihre Beine, und sie schlingt die Arme fest um mich. Wer braucht denn Schnee? sagt sie, und dann sausen wir holpernd den steinigen roten Hang hinab, beide mit dem gleichen fliegenden Haar.
    Im Zuschauerraum finde ich das Gesicht meiner Mutter. Ich wünschte, ich könnte das Gefühl erklären, wenn ein Stück von dir plötzlich wieder da ist, ein
    Stück, von dem du nicht mal gemerkt hast, daß es fehlte. Du willst mehr davon, und gleichzeitig hast du Angst davor, es zu bekommen.
    War sie betrunken, als wir auf dem Sand rodeln waren? War ich so froh darüber, daß sie bei mir war, daß sie mich fest hielt, daß es gar keine Rolle spielte?
    »Stimmt es, Ms. Hopkins, daß Ihr Vater Ihnen gesagt hat, Ihre Mutter wäre tot?« fragt Emma.
    »Er hat gesagt, sie wäre bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
    »Und Sie haben ihm geglaubt?«
    »Ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben«, sage ich.
    »Als Sie erfuhren, daß Ihre Mutter lebt, waren Sie doch bestimmt sehr neugierig, sie kennenzulernen, nicht wahr?«
    Ich spüre die Augen meiner Mutter auf mir. »Ja.«
    »Sie wollten sehen, ob sie die Mutter war, die Sie sich all die Jahre über vorgestellt haben.«
    »Ja.«
    »Aber dann hat Ihr Vater Ihnen erzählt, daß diese Mutter, die in Ihrer Fantasie zu einer geradezu märchenhaften Gestalt geworden war, Alkoholikerin war. Daß sie Sie als Kind in Gefahr gebracht hat und daß er Sie deshalb entführt hat.«
    Ich nicke.
    »Sie wollten Ihrem Vater nicht glauben, nicht wahr?«
    »Nein«, gebe ich zu.
    »Aber Sie mußten«, sagt Emma mit Nachdruck. »Weil Sie sonst genau dort gewesen wären, wo Sie angefangen haben: bei einem Vater, der lügt.«
    »So hab ich das nicht -«
    »Sie können nicht bestreiten, Ms. Hopkins, daß Ihr Vater ein Lügner ist. Sie haben selbst ausgesagt -«
    »Ja!« falle ich ihr ins Wort. »Er ist ein Lügner. Er hat mich achtundzwanzig Jahre belogen, wollen Sie das von mir hören? Aber die Alternative war die Wahrheit, und die will niemand hören. Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, daß ich sie nicht hören wollte. Glauben Sie mir, es war sehr viel leichter, sie für tot zu halten, als herauszufinden, daß sie Alkoholikerin war und sich nicht um mich kümmern konnte.« Ich blicke die Geschworenen an. »Genauso wie es sehr viel leichter ist zu denken, daß jemand, der das Gesetz bricht, Bestrafung verdient -«
    »Euer Ehren!« sagt Emma.
    »- erst recht, wenn Sie genau das von der Staatsanwältin und im Fernsehen hören und jedesmal lesen, wenn Sie die Zeitung aufschlagen, obwohl Sie im Grunde Ihres Herzen genau wissen, daß er das Richtige getan hat.«
    »Euer Ehren, ich bitte, die letzten Bemerkungen der Zeugin streichen zu lassen, da das keine Antwort auf eine Frage war«, beteuert Emma.
    »Sie haben sie selbst in diese Richtung geführt«, erwidert der Richter schulterzuckend.
    Eric fängt meinen Blick auf und zwinkert mir zu, stolz.
    Ich habe es geschafft, die
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