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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
Autoren: Jodi Picoult
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über alles reden.«
    »Hast du mit ihm auch über deine Mutter gesprochen?«
    »Er wußte, daß sie mir fehlte. Aber ich wußte, daß es ihm schwerfiel, über sie zu reden, und ich habe das Thema nicht oft angesprochen. Niemand redet gern über das, was er verloren hat.«
    »Aber wie sich dann herausstellte, hat er deine Mutter gar nicht so verloren, wie er dir erzählt hat, nicht wahr?«
    Ich habe wieder ihre Stimme im Ohr, auf der Damentoilette, als sie mir sagte, daß sie meinen Vater wirklich geliebt hat. »Sie ist nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen«, sage ich langsam, »aber ich glaube, er hatte sie schon viel früher verloren.«
    Er legt die Hände auf dem Rücken übereinander. »Delia«, fragt er nach einem Augenblick, »warum sind wir nicht verheiratet?«
    Ich blinzele ihn an. Das steht nicht in unserem Drehbuch. Die Frage verblüfft Emma Wasserstein ebenso sehr wie mich. Sie legt Einspruch ein.
    »Euer Ehren«, sagt Eric, »ich bitte um ein wenig Spielraum. Die Frage ist nicht irrelevant.«
    Der Richter runzelt die Stirn. »Bitte beantworten Sie die Frage, Ms. Hopkins.«
    Plötzlich begreife ich, was Eric vorhat. Was ich sagen soll. Ich warte, bis er mich anblickt, damit ich ihm lautlos zu verstehen geben kann, daß ich nicht zulassen werde, daß er sich opfert, um meinen Vater zu retten.
    Eric kommt näher und legt die Hand auf das Geländer des Zeugenstandes. »Schon gut«, flüstert er. »Sag es.«
    Ich schlucke schwer. »Wir sind nicht verheiratet ... weil du Alkoholiker bist.«
    Die Worte klingen wie verrostet. Ich habe so darum gekämpft, sie nicht laut auszusprechen. Man mag sich ja einreden, daß Aufrichtigkeit das Fundament einer Beziehung ist, aber selbst das kann unwahr sein. Viel wahrscheinlicher ist, daß man sich selbst oder den geliebten Menschen belügt, um den Schmerz auf Abstand zu halten.
    Auch mein Vater hat das begriffen.
    »Wenn ich getrunken hatte, war ich furchtbar, nicht?« fragt Eric.
    Ich senke den Kopf.
    »War es nicht so, daß ich dich immer wieder enttäuscht habe, daß ich gesagt habe, ich würde dich irgendwo abholen, und es dann vergessen habe. Oder daß ich versprochen habe, irgendwas für dich zu erledigen, und es dann nicht getan habe?«
    »Ja«, sage ich leise.
    »War es nicht so, daß ich bis zur Bewußtlosigkeit getrunken habe und du mich ins Bett schleifen mußtest?« »Ja.«
    »War es nicht so, daß ich oft herumgetobt habe, daß ich wegen irgendwelcher alberner Kleinigkeiten wütend wurde und dir dann grundlos Vorwürfe gemacht habe?«
    »Ja«, flüstere ich.
    »War es nicht so, daß ich nie etwas zu Ende gebracht habe, was ich angefangen hatte? Und daß ich Versprechungen gemacht habe, von denen wir beide wußten, daß ich sie nicht halten würde? War es nicht so, daß ich getrunken habe, um munter zu werden, um ruhig zu werden, um zu feiern, um Mitleid zu empfinden? War es nicht so, daß ich getrunken habe, um gesellig zu sein oder um meine Ruhe zu haben?«
    Die erste Träne brennt wie Feuer auf meiner Haut.
    »War es nicht so«, fährt Eric fort, »daß du Angst hattest, bei mir zu sein, weil du nie wußtest, was kommen würde? Daß du Ausflüchte für mich erfunden hast und hinter mir saubergemacht hast und mir gesagt hast, du würdest beim nächsten Mal dafür sorgen, daß das nicht noch einmal passiert?« Ja.
    »Du hast meine Trinkerei unterstützt, indem du es mir leichter gemacht hast, betrunken zu werden, ohne Konsequenzen ... keine Schmerzen, keine Scham. Ich konnte noch so tief abstürzen, du warst für mich da, richtig?«
    Ich wische mir die Augen. »Doch, das stimmt.«
    »Aber dann ... hast du erfahren, daß wir ein Kind bekommen würden ... und da hast du etwas getan. Was war das?«
    »Ich habe dich verlassen«, flüstere ich.
    »Du hast das nicht getan, um mich zu bestrafen, nicht wahr?«
    Inzwischen weine ich haltlos. »Ich habe es getan, weil ich nicht wollte, daß mein Kind seinen Vater so sieht. Ich habe es getan, weil unsere Tochter dich irgendwann auch gehaßt hätte.«
    »Du hast mich gehaßt?« wiederholt Eric wie vor den Kopf gestoßen.
    Ich nicke. »Fast so sehr wie ich dich geliebt habe.«
    Die Geschworenen lauschen so gebannt, daß die Luft im Saal stillsteht, aber ich sehe nur Eric. Er reicht mir ein Taschentuch, dann streicht er mir das Haar aus dem Gesicht und läßt seine Hand auf meiner Wange ruhen. »Ich trinke nicht mehr, nicht wahr, Dee?«
    »Du bist seit über fünf Jahren trocken. Du hast aufgehört, als ich mit
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