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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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vor Augen zu führen, welcher Schaden mir durch seine Tat zugefügt wurde. Aber da ich wahrscheinlich eher für meinen Vater aussage als gegen ihn, wird die Staatsanwältin versuchen, mir Suggestivfragen zu stellen, was sie normalerweise bei einem Zeugen, den sie selbst aufgerufen hat, nicht dürfte. Aus diesem Grund hat sie den Richter gebeten, mich als feindliche Zeugin zu betrachten.
    Ich frage mich, ob ich das bin. Hat dieses ganze Fiasko mich hartherzig gemacht? Aggressiv? Wütend? Wird mich dieser Prozeß noch stärker verändern, als es die Handlungen meines Vater bereits getan haben?
    Eric hat mir heute morgen Mut gemacht, mich daran erinnert, daß Emma Wasserstein mir auf gar keinen
    Fall Worte in den Mund legen darf. Nach Sophies Verschwinden gestern abend bin ich hellwach und konzentriert - so fest entschlossen, gründlich nachzudenken, bevor ich etwas tue oder sage, daß ich mir nicht vorstellen kann, wie die Staatsanwältin mich besiegen will.
    »Guten Morgen«, sagt sie.
    Eine kühle Wand gegenläufiger Interessen trennt uns. Ich blicke ihr bewußt nicht in die Augen. »Hallo.«
    »Sie sind nicht sehr glücklich darüber, daß Sie heute hier sitzen, Ms. Hopkins.«
    »Nein«, gebe ich zu.
    »Sie wissen, daß Sie unter Eid stehen.«
    »Ja.«
    »Und Sie wissen, daß Ihr Vater angeklagt ist, Sie entführt zu haben.«
    Eric steht auf. »Einspruch, Euer Ehren. Die Zeugin muß sich nicht zu juristischen Sachverhalten äußern.«
    »Stattgegeben«, sagt Richter Noble.
    Emma verzieht keine Miene. »Sie müssen eine sehr starke Verbindung zu Ihrem Vater haben, nach all den Jahren.«
    Ich zögere mit der Antwort, überzeugt, in eine Falle gelockt zu werden. »Ja. Wir waren ja immer nur zu zweit.«
    »Sie sind selbst Mutter, nicht wahr?« fragt Emma.
    Ich erstarre innerlich: Kann es sein, daß sie von Sophies Verschwinden gestern abend erfahren hat? Will sie mich als unzuverlässig hinstellen? »Ich habe eine Tochter. Sophie.«
    »Wie alt ist sie?«
    »Vier. Sie wird bald fünf.«
    »Was machen Sie gern mit Sophie?«
    Wir suchen nach Insekten, nach Raupen und Schnecken, und dann bauen wir Häuser für sie aus Gras und Zweigen. Wir tätowieren uns gern gegenseitig mit Filzstiften. Wir machen Handpuppen aus Socken. Schon allein der Gedanke an diese Dinge beruhigt mich, erinnert mich daran, daß ich diesen Zeugenstand irgendwann verlassen werde und mit Sophie nach Hause fahren kann.
    »Bringen Sie sie jeden Abend ins Bett?« fragt Emma.
    »Wenn ich nicht arbeiten muß.«
    »Und morgens?«
    »Weckt sie mich«, sage ich.
    »Könnte man sagen, daß Sophie sich darauf verläßt, daß Sie morgens da sind, wenn sie aufsteht und zu Ihnen kommt?«
    Emma Wasserstein hat diese Schlinge so geschickt zugezogen, daß ich es nicht einmal gemerkt habe. »Sophie hat das Glück, verantwortungsbewußte Eltern zu haben, auf die sie sich verlassen kann«, antworte ich unterkühlt.
    »Sie haben Sophies Vater nicht geheiratet, richtig?«
    Ich wehre mich standhaft dagegen, Eric einen Blick zuzuwerfen. »Richtig. Wir sind verlobt.«
    »Würden Sie den Geschworenen bitte sagen, wer Sophies Vater ist?«
    Eric schießt von seinem Stuhl hoch. »Einspruch. Irrelevant.«
    Der Richter verschränkt die Arme. »Sie haben doch selbst gesagt, die persönliche Nähe zu dem Fall wäre kein Problem für Sie, Mr. Talcott. Abgelehnt.«
    »Wer ist Sophies Vater, Ms. Hopkins?« wiederholt Emma.
    »Eric Talcott«, sage ich.
    »Der Anwalt, der in diesem Saal anwesend ist? Der Anwalt, der Ihren Vater verteidigt?«
    Sogleich wenden die Geschworenen die Augen von mir ab und mustern Eric. »Genau der«, erwidere ich.
    »Unternimmt Mr. Talcott gelegentlich etwas allein mit Sophie, nur Vater und Tochter?«
    Ich muß an gestern abend denken, daß ich gleich angenommen, gehofft hatte, Eric wäre mit Sophie irgendwohin. »Ja.«
    »Dann ist Ihnen die Situation also vertraut, darauf zu warten, daß die beiden nach Hause kommen.«
    »Ja.«
    »Haben die beiden sich schon einmal verspätet?«
    Ich presse die Lippen zu einer entschlossenen Linie zusammen.
    »Ms. Hopkins«, sagt der Richter, »Sie müssen die Frage beantworten.«
    »Ein-, zweimal.«
    »Und haben Sic dann die Polizei angerufen?«
    Ich hätte gestern nicht die Polizei angerufen, wenn ich gewußt hätte, daß Eric bei Sophie war. Ich hätte auch nicht die Polizei angerufen, wenn ich gewußt hätte, daß Victor bei ihr war. Ich bin in Panik geraten, weil ich dachte, sie wäre allein oder ein Fremder hätte sie

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