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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
Autoren: Jodi Picoult
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Zeugenstand einen gelassenen Eindruck, wie sie so dasitzt, die Hände im Schoß gefaltet, und Erics Fragen beantwortet. »Sie war ein intelligentes, liebes Kind. Doch nach der Trennung ihrer Eltern kam es öfter vor, daß ich ihr morgens anmerkte, daß sie nicht gefrühstückt hatte. Sie trug dieselben Sachen drei Tage hintereinander oder hatte ungekämmte Haare.«
    »Haben Sie Bethany darauf angesprochen?«
    »Ja«, antwortet sie. »Meistens hat sie gesagt, ihre Mommy hätte noch geschlafen, deshalb hätte sie sich selbst Frühstück gemacht oder die Haare gekämmt.«
    »Wie ist Bethany zum Kindergarten gekommen?«
    »Ihre Mutter hat sie gebracht.«
    »Ist Ihnen an Elise Matthews auch gelegentlich etwas aufgefallen, was Sie beunruhigend fanden?«
    »Manchmal machte sie einen etwas ... mitgenommenen Eindruck. Und oft konnte ich auch riechen, daß sie etwas getrunken hatte.«
    »Mrs. Nguyen«, sagt Eric, »haben Sie Bethanys Vater darauf angesprochen?«
    »Ja. Ich erinnere mich deutlich an einen Vorfall. Elise Matthews hatte Bethany nicht vom Kindergarten abgeholt, wir haben sie dann auch noch den Nachmittag da behalten und dann den Vater bei der Arbeit angerufen.«
    »Wie hat er reagiert?«
    Sie blickt mich an. »Er hat sich sehr aufgeregt und war wütend auf seine Frau. Er hat gesagt, er würde sich darum kümmern.«
    »Was ist danach passiert?« will Eric wissen.
    »Bethany kam noch drei weitere Monate in den Kindergarten. Und dann eines Tages«, sagt Mrs. Nguyen, »war sie verschwunden.«
    »So«, sagt die Staatsanwältin. »Dann war sie also auf einmal verschwunden?«
    »Ja«, antwortet Mrs. Nguyen.
    »Es ist nicht unbedingt gut für Kinder, wenn sie so plötzlich aus dem Kindergarten genommen werden, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Nun, Mrs. Nguyen, Sie sagten, die vierjährige Bethany kam mit ungebürsteten Haaren in den Kindergarten, ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Sie haben auch gesagt, die Kleine sei manchmal hungrig in den Kindergarten gekommen.«
    »Ja.«
    »Sie sagten, sie habe drei Tage hintereinander dieselben Sachen getragen.«
    »Ja.«
    Die Staatsanwältin zuckt die Achseln. »Kommt das denn nicht bei fast jedem vierjährigen Kind mal vor?«
    »Ja, aber bei Bethany kam es auffällig häufig vor.«
    »Haben Sie als Erzieherin auch schon mal mit dem Jugendamt zu tun?«
    »Leider ja. Wir sind gesetzlich verpflichtet, jeden Fall von Mißbrauch oder Verwahrlosung zu melden. Sobald wir den Verdacht haben, daß ein Kind in Gefahr ist, rufen wir an.«
    »Und doch haben Sie Elise Matthews nicht bei der Behörde gemeldet, nicht wahr?« stellt Emma klar. »Keine weiteren Fragen.«
    Am liebsten hast du Tierretterin mit Plüschtieren gespielt. Du bist den Everest hochgestiegen, um einen Puma zu retten, der allein nicht mehr runterkam, aber auf halbem Weg brach sich einer von deinen Schlittenhunden ein Bein, und du mußtest ihn erst einmal verarzten, bevor du dich um die Wildkatze kümmern konntest. Du hast aus dem Erste-Hilfe-Kasten im Seniorenzentrum Verbandszeug stibitzt und unter dem Eßtisch eine Ambulanzstation errichtet. Der Puma war eine Plüschkatze, die sich unter der Couch im Wohnzimmer versteckte. Das Badezimmer war ein OP, in dem du mit Pinzette und Zahnstocher Eingriffe vornahmst. Ich habe dich oft beobachtet und mich gefragt, ob du von Natur aus Expertin darin warst, die Welt neu zu erfinden, oder ob ich dich dazu gemacht hatte.
    Während des gesamten Weges zurück in die Haftanstalt spüre ich, wie sich alles in meinem Körper dagegen wehrt. Doch kaum bin ich da, kommt auch schon ein Aufseher und sagt mir, daß ich Besuch habe. Ich denke, es ist Eric, um mit mir meine morgige Zeugenaussage zu üben, doch statt zu einem Besprechungsraum für Anwälte und Mandanten geführt zu werden, bringt man mich in eine Kabine im Besucherraum.
    Erst als ich ihr fast gegenübersitze, sehe ich, daß Elise gekommen ist, um mich zu besuchen.
    Ihr dunkles Haar fällt ihr wie ein Wasserfall den Rücken hinab. Auf der Handfläche und am linken Unterarm hat sie sich etwas aufgeschrieben. »Manche Dinge ändern sich nie«, sage ich sanft und zeige darauf.
    Sie blickt nach unten. »Ach das. Ich brauchte einen Spickzettel im Zeugenstand.« Als sie mich anlächelt, steigt in dem kleinen Kasten, in dem ich eingeschlossen bin, die Temperatur. »Es ist schön, dich zu sehen. Ich wünschte nur, die Umstände wären andere.«
    »Mir wäre ein anderer Treffpunkt lieber«, sage ich.
    Sie senkt den Kopf, und als sie aufblickt, ist ihr
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