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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sie sagte, sie wollte auf jeden Fall die Baseballkarte mit Dwight Evans drauf wiederhaben, die sie Fitz geschenkt hatte, um ihm zu zeigen, daß sie ihn wirklich mochte.
    Als der Song zu Ende war, löste sich Delia nicht von mir. Sie blieb, wo sie war, schob sich vielleicht sogar noch ein bißchen näher an mich heran. »Willst du weiterreden?« fragte ich.
    »Nein«, sagte sie und lächelte mir in die Augen. »Ich glaub, ich bin fertig.«
    Als ich sie finde, hockt sie drei Meter über mir, in der knorrigen Astgabel einer Eiche. Greta sitzt unten und winselt. »He«, sage ich und schiebe ein paar belaubte Zweige beiseite. »Alles okay?«
    Über mir kommen die Sterne hervor. »Was, wenn ich an allem schuld war?« fragt Delia.
    »Wie denn das?« erwidere ich. »Du kannst dich doch nicht mal daran erinnern, daß es passiert ist.«
    »Vielleicht ja doch, vielleicht hab ich es verdrängt. Vielleicht hat mein Vater das auch vor mir verborgen.«
    Ich zögere. »Ich bin sicher, er hat eine Erklärung für alles.«
    Delia springt vom Baum und landet wie eine Katze neben mir. »Wieso hat er die mir dann nicht gegeben?« sagt sie mit brüchiger Stimme. »Er hatte achtundzwanzig Jahre Zeit. Findest du nicht auch, das reicht, um einmal zu erwähnen, daß Delia Hopkins ein totes Mädchen aus Missouri ist? Ein einziges Mal?« Plötzlich wird Delia weiß im Gesicht. »Eric«, fragt sie, »glaubst du, ich habe noch eine Mutter?«
    »Ich weiß nicht«, erwidere ich. »Das finden wir raus, wenn wir in Arizona sind.«
    »Arizona?«
    »Nach der Anhörung morgen wird er nach Arizona ausgeliefert. Dort hat sich die ... mutmaßliche Straftat ereignet. Wenn es zum Prozeß kommt, wirst du vermutlich als Zeugin geladen.«
    Der Gedanke scheint Delia zu entsetzen. »Und wenn ich keine Zeugin sein will?«
    »Da bleibt dir wohl keine andere Wahl«, gestehe ich.
    Sie kommt einen Schritt näher, und ich schlinge meine Arme um sie. »Was, wenn ich gar nicht hier aufwachsen sollte ... so wie ich aufgewachsen bin?« sagt sie leise. »Was, wenn es für Bethany Matthews einen anderen kosmischen Plan gab?«
    »Was, wenn es für Delia Hopkins einen anderen kosmischen Plan gab, der durch einen Autounfall zunichte gemacht wurde?« Ich denke an Fitz, überlege, was er mir raten würde. »Du hättest Bethany Matthews, Delia Hopkins, Kleopatra sein können - es hätte nichts geändert. Und wenn du mit tausend Zitronenbäumen mitten in der Wüste aufgewachsen wärst, mit einem Kaktus statt eines Weihnachtsbaums und einem Gürteltier statt eines Hundes ... na, dann hätte ich wahrscheinlich in Arizona Jura studiert und würde jetzt illegale Einwanderer verteidigen. Aber wir wären auf jeden Fall zusammen, Dee. Egal, was ich für ein Leben gehabt hätte, du würdest darin vorkommen.«
    Sie lächelt matt. »Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich nie Kleopatra war.«
    Ich drücke ihr einen Kuß auf die Stirn. »Na bitte«, erwidere ich, »das ist doch schon mal ein Anfang.«
    Wir waren fünfzehn und betrunken und saßen auf dem Glockenturm der Baker Library vom Dartmouth College, um einen Meteoritenschauer zu beobachten, den wir, wie es in den Nachrichten geheißen hatte, nur einmal im Leben so klar und deutlich zu sehen bekommen würden. Obwohl wir uns das kaum vorstellen konnten, wo wir doch das Gefühl hatten, unsterblich zu sein.
    Wir vertrieben uns die Wartezeit mit »Ich sehe was, was du nicht siehst« und Quizfragen. Wer die Antwort nicht wußte, mußte einen kräftigen Schluck aus der Flasche nehmen. Als unsere Ecke der Welt sich schließlich dem Meteoritenschauer zuwandte, schnarchte Fitz mit offenem Mund, und Delia kriegte den Reißverschluß von ihrem Sweatshirt nicht mehr zu. »Komm her«, sagte ich und half ihr. Im selben Moment jagte ein Feuerball den Mond über den Himmel.
    Delia bestaunte das mitternächtliche Spektakel, und ich bestaunte sie. Manchmal lächelte sie oder lachte laut auf, doch meistens formte ihr Mund bloß ein staunendes O, während die Nacht sich vor ihren Augen verwandelte. Als es am Himmel wieder ruhiger wurde, beugte ich mich vor, bis unsere Lippen sich berührten.
    Sie wich sofort zurück und starrte mich fragend an. Dann schlang sie die Arme um meinen Hals und küßte mich ebenfalls.
    Ich weiß noch, daß wir beide unsicher waren, daß ich das Gefühl hatte, als wäre meine Haut zwei Nummern zu klein für mich, daß mein Herz so wild schlug, daß sich der Stoff meines Hemdes bewegte. Ich weiß noch, daß ich einen Moment lang

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