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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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jetzt geschieht. Der
    Staatsanwalt steht auf und kommt zu mir. »Eric«, sagt er, »sind Sie sicher, daß Sie sich so eine Sache zumuten wollen?«
    Er stellt nicht etwa meine anwaltlichen Fähigkeiten in Frage, sondern meine Belastbarkeit. Im Gegensatz zu ihm, der seit zwanzig Jahren trocken ist, bin ich noch Anfänger. Ich schenke ihm ein verkniffenes Lächeln. »Ich habe alles im Griff«, lüge ich. Auch darin sind trockene Alkoholiker gut.
    Ich überlasse den Tisch dem nächsten Verteidiger. Mir graut vor Delias Reaktion, sie wird enttäuscht sein, weil Andrew wieder zurück ins Gefängnis muß, weil ich schon jetzt versagt habe. Resigniert drehe ich mich zu ihr um, doch sie ist verschwunden.
    Vor fünf Jahren bin ich mit dem Auto von der Straße abgekommen, als ich beim Fahren versuchte, eine Flasche Wodka zu öffnen. Wie durch ein Wunder kam nur ein Ahornbaum zu Schaden. Ich bin zu Fuß in die nächste Bar und habe mir erst mal Mut angetrunken, ehe ich Delia anrief und ihr erzählte, was passiert war. In der Woche darauf wachte ich an verschiedenen Orten auf, ohne mich daran erinnern zu können, wie ich dort hingekommen war: im Partyraum eines Studentenwohnheims auf dem Campus vom Dartmouth College, in der Küche eines Chinarestaurants, auf der Staumauer des Wilder Dam. Und nach einer meiner Sauftouren erwachte ich im Garten von Delia und Andrew in der Hängematte. Was mich weckte, war ihr Weinen. Delia saß neben mir auf dem Boden und zerpflückte Grasbüschel. »Ich bin schwanger«, sagte sie.
    Mein Kopf schwamm unter Wasser, meine Zunge war so dick wie Moos, doch mein erster Gedanke war: ]etzt gehört sie mir. Ich quälte mich aus der Hängematte und ging auf ein Knie. Ich zog Delia das Haargummi vom Pferdeschwanz und nahm es doppelt, dann ergriff ich ihre Hand. »Delia Hopkins«, sagte ich, »willst du meine Frau werden?« Ich streifte ihr den provisorischen Haargummi-Ring über den Finger und setzte mein strahlendstes Lächeln auf.
    Als sie nicht antwortete - sie zog nur die Knie an und legte den Kopf darauf -, spürte ich in der Magengrube ein panisches Flattern. »Delia«, sagte ich und schluckte. »Ist es wegen des Babys? Möchtest du es ... nicht behalten?« Der Gedanke, daß ein Teil von mir in ihr Wurzeln schlug, kam mir wie ein Wunder vor. Aber ich war bereit, für Delia darauf zu verzichten. Ich würde alles für sie tun.
    Als sie mich ansah, lag nichts in ihren Augen, als hätte sie den Faden, der sie mit mir verband, von ihrem Leben abgerissen. »Ich will das Baby, Eric«, sagte sie. »Aber dich will ich nicht.«
    Delia hatte sich schon oft beschwert, wenn ich zuviel trank, doch da sie selbst so gut wie keinen Tropfen Alkohol anrührte, fand ich, daß sie gar nicht beurteilen konnte, wieviel zuviel war. Sie sagte immer, sie könne den Geruch von Alkohol nicht ausstehen, aber ich war überzeugt, daß sie in Wirklichkeit mit dem Kontrollverlust nicht klarkam, und das war ihr Problem, so fand ich, nicht meins. Manchmal, wenn sie richtig wütend wurde, drohte sie, das nicht länger mitzumachen, aber das war ein Teufelskreis: Jedes Mal, wenn sie schwor, mich zu verlassen, griff ich erst recht zur Flasche, und irgendwann kam sie dann und half mir zurück ins Bewußtsein, und ich schwor hoch und heilig, daß so etwas nie wieder vorkommen würde, obwohl wir beide wußten, daß das nicht stimmte.
    Diesmal jedoch wollte sie mich nicht verlassen, weil sie an sich selbst dachte, sondern an einen anderen Menschen.
    Sie stand damals auf und ging, und ich blieb noch lange auf dem Rasen in ihrem Garten sitzen. Noch am Abend desselben Tages besuchte ich ein Treffen der Anonymen Alkoholiker. Es dauerte eine Weile, doch schließlich begriff ich, warum Delia meinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Ich hatte sie gebeten, das falsche Leben mit mir zu verbringen, aber ein Mensch kann jederzeit ganz von vorn anfangen.
    Ich würde gern nach Delia suchen, aber ich habe im Moment keine Zeit. Ich muß einen Anruf erledigen: bei der Staatsanwaltschaft in Arizona. Die Bandstimme, die sich meldet, teilt mir mit, daß das Büro der Staatsanwaltschaft von Maricopa County zwischen neun und siebzehn Uhr zu erreichen ist. Ich blicke auf die Uhr: In Arizona ist es erst sieben. Ich hinterlasse eine Nachricht, daß ich Andrew Hopkins anwaltlich vertrete, daß er hier im Bezirksgericht von New Hampshire der Auslieferung zugestimmt hat und wir dafür auf eine rasche Überstellung hoffen.
    Dann gehe ich nach unten ins Büro des Sheriffs, wo

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