Wainwood House - Rachels Geheimnis
gemeinsam unter einem Dach wohnt«, erläuterte ihre Mutter geduldig. »Tante Mildred hat zugestimmt, dich aufzunehmen. Die alte Dame ist manchmal etwas einsam so ganz alleine in ihrem großen Haus. Die Gesellschaft wird ihr guttun. Du könntest ihr vorlesen und sie zu ihren Besuchen begleiten.«
»Claire könnte genau dasselbe für sie tun«, schlug Jane wie aus der Pistole geschossen vor. Diese Lösung kam ihr absolut schlüssig vor, ganz im Gegensatz zu der Vorstellung, ihrer Großtante auf Wochen Gesellschaft zu leisten. Doch anstatt Zustimmung erntete sie nur einen Blick voll des milden Tadels.
»Claire schleicht sich nachts weder aus ihrem Zimmer, noch belauscht sie anderer Leute Gespräche. Und auch an ihren Manieren gibt es nicht das Geringste auszusetzen«, rief ihre Mutter ihr stoisch ins Gedächtnis. »Dir hingegen wird eine Luftveränderung nur guttun. Mildred pflegt einige nützliche Bekanntschaften. Ihre Erfahrung wird deinen Umgangsformen auf die Sprünge helfen. Du wirst natürlich ein Mädchen mitbekommen, weil wir Mildreds Zofe unmöglich zumuten können, sich auch noch um dich zu kümmern. Hanna ist hier nicht zu entbehren, aber wir dachten an die kleine Ägypterin, Jane Swain.«
Schachmatt, dachte Penny mit widerwilliger Bewunderung, denn natürlich hatte ihre Mutter die Angelegenheit bereits längst zur Gänze durchdacht. Wenn ihre Töchter nicht länger miteinander rivalisieren konnten, würde sich ein Teil ihrer Probleme von selbst erledigen. Und zu Gast bei Tante Mildred würde Penny gezwungen sein, sich besser zu benehmen als auf Wainwood. Außerdem hatte sie ohne Julian keinen Verbündeten mehr, der ihr bei ihren Eskapaden zur Seite stand. Selbst wenn keine Besserung eintreten sollte, würde Tante Mildred sicherlich nur zu gerne bereit sein, sich Pennys gesammelten Unzulänglichkeiten zu widmen. Immerhin war es ein gewisser Trost, dass sie auf diese Weise Jane Swain im Auge behalten würde. Sie fragte sich sogar, ob Feltham ihren Vater doch noch überzeugt hatte und Jane mitreiste, um glaubhafter ihren eigenen Tod vortäuschen zu können.
»Wie lange wollt ihr mich ins Exil schicken?«, erkundigte sich Penny säuerlich.
»Das wird sich zeigen«, sagte Genevieve mit unerschöpflicher Geduld. »Ein paar Wochen fürs Erste.«
»Wochen?«, echote Penny betroffen. »Allein mit Tante Millie als Kerkermeisterin?«
»Jetzt sei nicht albern. Deine Tante verdient schwerlich eine solche Beleidigung!«, rief ihre Mutter sie zur Ordnung. »Ganz im Gegensatz zu deinem Benehmen, das jeder Beschreibung spottet. Versuch das Beste aus der Sache zu machen! Und je eher wir von deinem guten Willen überzeugt sind, umso schneller bist du wieder zu Hause.«
Obwohl das als Aufmunterung gemeint zu sein schien, sah Penelope vor ihrem inneren Auge, wie die Wochen zu Monaten wurden, ohne dass Tante Mildred sie wieder freigeben würde. Sie würde endlose Schalen voll Gelees und Puddings essen müssen und nur Tante Mildreds ewige Ermahnungen zu ihrer Unterhaltung haben. Fast wünschte sie sich, sie wäre stattdessen von ihrer Mutter rüde zur Ordnung gerufen worden, anstatt höflich lächelnd an eine unliebsame Verwandte abgeschoben zu werden.
Genevieve war gewillt, das bedrückte Schweigen ihrer Tochter als Zustimmung zu werten. In demselben plaudernden Tonfall fuhr sie fort: »Julian wird den Colonel nach London begleiten. Es gibt dort einige Regimentsangelegenheiten zu regeln. Der liebe Junge kann dabei einen Eindruck vom Leben eines Offiziers gewinnen. Das wird ihm sicher helfen, für sein zukünftiges Leben eine Entscheidung zu treffen.«
Penny fand, dass Julian es mit der Hauptstadt als Ziel und Feltham zur Gesellschaft nicht so schlecht getroffen hatte. Auch wenn offenbar von ihm erwartet wurde, sich endlich für einen Beruf zu entscheiden und seiner Pflicht Genüge zu tun. »Ich bin sicher, er wird es sehr lehrreich finden«, antwortete sie trocken.
Sie deutete den aufmerksamen Blick, mit dem ihre Mutter sie musterte, zu spät. »Hast du deinen Cousin Julian jemals als Gatten in Erwägung gezogen?«, fragte Lady Derrington ungewohnt offen.
»Mutter!«, rief Penny bestürzt. »Jules ist wie mein Bruder.«
»Aber streng genommen ist er das nicht, Liebes. Ihr könntet eines Tages heiraten, wenn ihr es nur beide wolltet«, sagte ihre Mutter sanft.
»Warum sollten wir so etwas Albernes tun?« Penny schwang die Beine mit einem resoluten Ruck von der Fensterbank und sprang hinab. Sie ertrug den Blick ihrer
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