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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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unter seinen Worten zusammenschrumpfte. Er hatte ihnen keine Gelegenheit gegeben, sich zu erklären, sondern beide Missetäter wie ungezogene kleine Kinder zurück ins Bett geschickt. Als Penny an Claire vorbei zur Tür getreten war, hatte ein Blick in das Gesicht ihrer Schwester genügt, um sie davon zu überzeugen, dass hier kein unglücklicher Zufall am Werk gewesen war. Vermutlich hatte auch Claire keinen Schlaf gefunden und ihre Chance auf Rache gewittert, als sie ihre Schwester auf dem Korridor gehört hatte.
    Beim Frühstück im Speisesaal schlug Penny von ihrer Familie eine Atmosphäre der Missachtung entgegen, die so greifbar war wie der Stuhl, auf dem sie saß, oder die lang gezogene Tafel in der Mitte des Raumes. Allein Benjamin plapperte unverdrossen weiter. Auch die we nigen Gäste, die nicht zu verkatert waren, um zum Frühstück hinabzusteigen, waren in einer aufgekratzten Weihnachtsstimmung. Jeder schien darauf vorbereitet, den Tag mit Scharaden, Kartenspielen und Schlittenfahrten zu verbringen. Nach dem Frühstück erhielten alle Dienstboten von ihrer Mutter ein ordentlich verschnürtes Päckchen geschenkt. Es enthielt genau wie in jedem anderen Jahr neuen Stoff für ihre Uniformen und dazu einen kleinen Obolus für die geleisteten Dienste. Für gewöhnlich hätten sie am Boxing Day darüber hinaus freibekommen, doch mit dem Haus voller Gäste und einer Leiche in der Dachkammer mussten Abstriche gemacht werden.
    Penny nutzte die erste Gelegenheit, um sich wieder in ihrem Zimmer zu verkriechen. Sie saß mit angezogenen Beinen auf der Fensterbank und sah in den weißen Park hinaus, auf den Knien das neue Buch, das sie von Julian zu Weihnachten bekommen hatte. Sie verfolgte durch die kalte Glasscheibe, wie die Polizisten mit einem Schlitten zum Lieferanteneingang gefahren wurden, um die Dienstboten zu befragen und Beatrice Leichnam abzuholen. Am Mittag setzte der Schneefall erneut ein. Als der Tag langsam in den Nachmittag überging, begann sie zu unruhig zu werden, um sich noch länger auf die Buchstaben konzentrieren zu können. Inzwischen musste die Nachricht von dem Mord sogar schon bis zu den Gästen vorgedrungen sein. Doch anstatt in den Salons auf den Klatsch zu lauschen oder sich gar bis ins Kellergeschoß hinabzuschleichen, um heimlich die Befragung der Dienstboten mit anzuhören, starrte Penny in das Schneetreiben hinaus und vertilgte eine riesige Portion Gewürzplätzchen.
    Am Nachmittag klopfte ihre Mutter höflich an, bevor sie, ohne Pennys Antwort abzuwarten, eintrat. Sie strahlte eine heitere Wärme aus, gepaart mit der zeitlosen Eleganz ihres fließenden Kleides und den locker hochgesteckten Haaren. Die Gäste auf Wainwood fanden Genevieve Goodall sanftmütig, charmant und stets bereit, jeder Lage mit der Contenance einer Dame entgegenzutreten. Doch Penelope zweifelte keine Sekunde daran, dass sie bei dem Gespräch mit ihrer Tochter ebenso zielsicher zu Werke gehen würde wie der angereiste Inspektor bei dem Verhör der gesamten Dienerschaft. Nur, dass ihre Mutter dabei eine weit größere Eleganz beweisen würde als der kahlköpfige Polizeibeamte.
    »Wir haben dich bei der Zaubervorführung vermisst«, eröffnete sie die Schlacht liebevoll. »Mr White beherrscht ein paar sehr clevere Kartentricks und der alte Lord Greyborne hat uns alle mit einer famosen Showeinlage überrascht.«
    Sie nahm ungefragt neben Bonifacius auf Pennys Bett Platz, misstrauisch von dem Kater beäugt, doch stillschweigend geduldet. Genau wie das Haustier zog Penny es vor, nichts zu sagen und die Anklage abzuwarten, bevor sie sich zu ihrem Verteidigungsplädoyer aus der Deckung wagen wollte.
    »Natürlich wird es schließlich doch eine Erleichterung sein, wenn sie alle abreisen«, fuhr Genevieve so leichthin fort, als könnten sie weder die Morduntersuchung noch aufmüpfige Töchter um ihre Fassung bringen. »Der ganze Trubel und das angemietete Personal kosten Mrs Chambers einiges an Nerven. Und ich weiß nicht, ob ich noch eine Partie Bridge mit deiner Tante Mildred ertragen könnte. Du wirst übrigens morgen mit ihr gemeinsam abreisen.«
    »Was?«, rutschte es Penny formlos vor Überraschung heraus.
    Im Gegensatz zu ihr blieb ihre Mutter auch weiterhin ein Sinnbild unerschütterlicher Gelassenheit. Sie ging sogar dazu über, den Kater zu kraulen, und der Verräter verfiel in ein tiefes Schnurren. »Dein Vater und ich sind darin übereingekommen, dass es Claire und dir guttun wird, wenn ihr eine Weile nicht

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