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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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vermieden hatte, fühlte er sich zum ersten Mal befreit. Er sah gerade noch rechtzeitig auf, um das erleichterte Staunen in Julians Gesicht zu bemerken. Dann öffnete sich die Tür zur Gesindestube. Mr Frost trat mit seiner gewohnten Miene stummen Leidens ein.
    »Was kann ich für Sie tun, Mr Rushforth?«, erkundigte er sich so förmlich, als würde er statt einem Morgenmantel und Pantoffeln die würdevolle Livree seines Amtes tragen. Der Butler war für ein paar Tage länger auf Wainwood geblieben, um einige Renovierungsarbeiten im Ostflügel zu überwachen. Er hatte nicht damit gerechnet, dabei gestört zu werden. Am allerwenigsten zu dieser nachtschlafenden Zeit. Dennoch war ihm nicht die geringste Verwunderung anzusehen. Das Küchenmädchen huschte mit einem Tablett herein, auf dem eine bauchige Teekanne, zusammen mit einem Satz geblümter Tassen, platziert war. Mit dem panischen Ausdruck einer Henne, die einem Fuchs unter die Augen kam, stellte sie ihre Last auf dem Tisch ab und floh wieder aus der finsteren Gesindekammer.
    »Mr Frost, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir das Totenbuch überlassen würden, das Sie für Mrs Feltham verwahren«, erklärte Julian so respektvoll, als würde er mit einem anderen Gentleman und nicht mit dem Butler sprechen.
    Als wollte er sein steinernes Herz unter Beweis stellen, verzog Maxwell Frost nicht die geringste Miene. »Was bringt Sie auf den Gedanken, ich könnte im Besitz einer solchen Kuriosität sein?«, erkundigte er sich aalglatt.
    Julian zog anstandslos mehrere zusammengefaltete Blätter aus der Innentasche seines Mantels und breitete sie nebeneinander auf dem Tisch aus. Samuel erkannte die feine Handschrift einer Frau, die die langen Aufreihungen von Namen und Zahlen geschrieben haben musste. »Das ist die Abschrift einer Liste, die Rachel Feltham einst in einem Buch über ägyptische Götter versteckt hat«, erklärte Julian geduldig. »Das Original ist in ihrer Handschrift verfasst. Lady Penelope glaubt, dass es sich mit dieser Auflistung um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelte. Eine Kopie nur, die Mrs Feltham zur Sicherheit aufbewahrte, während sie etwas weit Bedeutsameres mit Ihnen nach England schickte. Vermutlich wusste Rachel Feltham bereits, dass sie verfolgt wurde. Oder vielleicht war sie einfach nur besonders umsichtig. Und Sie waren der einzige Mensch, auf den sie vertrauen konnte.«
    Da Samuel die Geschichte bereits kannte, konnte er sich ganz auf den Anblick der beiden ungleichen Männer konzentrieren. Der Butler strömte selbst in dem gestreiften Morgenrock noch die unnahbare Würde aus, die ihm zur zweiten Natur geworden war. Doch auch von Julian Rushforth war alle Müdigkeit abgefallen. Er sah den älteren Mann aufmerksam an und sprach so ruhig, als würde er ihm eine wissenschaftliche These erläutern, deren Logik für sich sprach.
    »Denn es waren doch Sie, der Mrs Feltham als Diener auf ihrer Hochzeitsreise bis nach Ägypten begleitet hat, nicht wahr?«, erkundigte sich Julian mit einer Gewissheit, als würde er die Antwort schon kennen. »Mrs Feltham wollte ihren Mann bis zu seiner Stationierung in Ägypten begleiten. Nur eine Zofe ist auf einer so langen Reise eine unzureichende Begleitung für eine frisch verheiratete junge Dame. Sie fuhr zu den Ausgrabungen in Amuth Beli. Sie muss gemeinsam mit dem Leiter der ersten Expedition etwas in den Gräbern entdeckt haben, denn das ist der einzige Zusammenhang zu Jane Swain. Ich kann nur raten, dass der Colonel zu dieser Zeit bereits wieder auf seinem Posten oder in Armeeangelegenheiten unterwegs war. Vermutlich brach seine Gattin nach Kairo auf, um die Obrigkeit zu informieren. Doch da sie um die Bedeutsamkeit ihrer Entdeckung wusste, hatte sie eine Vorsichtsmaßnahme getroffen. Sie schickte Sie mit dem wahren Beweis nach England.«
    Julian verstummte. Sein Schweigen breitete sich zuerst im Halbdunkel der Gesindekammer aus. Es zog über den Tisch und unter die Bänke und spiegelte sich im Glas der erloschenen Gaslampen. Es gesellte sich zu der großen Stille des verlassenen Herrenhauses und ballte sich zwischen den mit Tüchern verhängten Möbeln in den Salons. Es fuhr in die erkalteten Kamine und drang in die menschenleeren Korridore vor. Natürlich gab es auf Wainwood auch während der Saison in London Dienstboten, die zurückgeblieben waren, um das Haus vom untersten Keller bis hinauf zum Dachboden zu putzen, bis alle Beschläge glänzten und die Dielen auf allen Stockwerken blank

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