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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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darauf, dass Jane sie nicht überleben würde. Jetzt umklammerte er ihren Arm und schob sie vor sich her aus der Kutsche. Ihre Beine konnten sie kaum noch tragen. Doch die kühle Nachtluft vertrieb ihren Schwindel.
    Gemeinsam traten sie auf einen Feldweg, der auf eine mittelalterliche Kirche zuhielt. Der Himmel war jetzt von einem zarten Blau und zerfranste im Osten in blasses Gold. Die hügelige Landschaft gewann an Konturen und gab erste Feinheiten Preis. Eine klobige, alte Steinmauer zeichnete sich am Ende des Weges ab, die ein Grundstück begrenzte. Als sie das Eisentor passierten, ragte vor ihnen ein hohes Kreuz auf, dann ein verwitterter Stein und wieder ein Holzkreuz. Jane erkannte, dass sie über das taufeuchte Gras eines Friedhofs schritten. Die Umrisse der Kirche waren ihr wohl vertraut. Doch sie erkannte auch die Gestalt, die plötzlich zwischen den Grabsteinen hervortrat. Sie trug einen breiten Kragen auf den Schultern und auf dem Kopf ein dichtes Falkengefieder. Der Horus wurde von zwei ägyptischen Bogenschützen flankiert. Gerade als Jane überzeugt war, trotz Whites festem Griff keinen einzigen Schritt mehr gehen zu können, trat eine weitere bekannte Göttergestalt neben sie. Anubis legte ihr seine schwere Pranke mit den goldenen Krallen auf die Schulter, als er ihr sein pelziges Schakalgesicht zuwandte.
    Eine Stunde vor Anbruch der Dämmerung war das Eisentor zu den Parks von Wainwood House noch fest verschlossen. Die eisernen Spitzen ragten wie Fingerzeige zum Firmament auf. Das Herrenhaus dahinter war noch nicht einmal zu erahnen. Der einzige Weg auf das Anwesen führte über die Astgabel eines Baumes, dessen Zweige bis zur Mauerkrone hinaufreichten.
    »Sie sollten von Mr Frost eine Lohnerhöhung verlangen!« Ohne sein Gesicht im Dunklen erkennen zu können, hörte Samuel, dass der junge Mr Rushforth vor Anstrengung um Luft rang, als er sich neben ihm in die Höhe stemmte. »Ich bin mir sicher, dass bei Ihrer Einstellung keine Rede davon war, nachts auf dem Anwesen einzubrechen.«
    Samuel saß bereits auf dem oberen Rand der Mauer, ein Bein auf jeder Seite und streckte sich hinab, um seinem jungen Herrn hinaufzuhelfen. »Streng genommen brechen wir nicht ein«, gab Samuel zu bedenken. »Sie sind hier zu Hause, Sir.«
    Sie hatten das Motorrad unter den Brombeerbüschen am Fuße der Mauer zurückgelassen, um den Rest des Weges zu laufen. Sie waren nach der langen Fahrt über die Landstraßen steif und durchgefroren. Unterwegs hatten sie mehrmals angehalten, um sich nicht zu verfahren, und immer wieder hatte Mr Rushforth im Schein eines brennenden Zündholzes seine Taschenuhr aufgeklappt. Obwohl das Motorrad folgsam Meile um Meile bewältigte und der kalte Fahrtwind sie beide wach hielt, hatte Samuel mit jeder Faser seines Körpers zu spüren geglaubt, dass ihnen die Zeit davonlief. Sie waren vorsichtshalber getrennt aufgebrochen, damit auf jeden Fall einer von ihnen rechtzeitig zur Übergabe bei Sonnenaufgang an der alten Kapelle eintreffen würde. Lady Penelope und Lord Nyles hatten sich mit dem Automobil seiner Lordschaft auf den Weg gemacht, um geradewegs zum Friedhof zu fahren. Gleichzeitig war Mr Rushforth mit Samuel auf dem Motorrad nach Wainwood unterwegs, um das Totenbuch aus seinem Versteck zu holen.
    Samuel verdrängte hartnäckig den Gedanken, dass Lady Penelope sie lediglich mit einer schlüssigen Vermutung auf den Weg geschickt hatte, und zog Mr Rushforth mit festem Halt auf die Mauerkrone hinauf. Eine Weile sagte keiner von beiden etwas, während der junge Herr wieder zu Atem kam und Samuel den geliehen Mantel enger um sich schlang. Gestern Morgen um diese Zeit hatte er noch nichts von heidnischen Göttern und alten Geheimnissen gewusst. Er hatte Jane in Sicherheit geglaubt und erwartet, Julian Rushforth nie wiederzusehen. Doch jetzt kauerten sie nebeneinander auf der Mauer und sahen in den Park hinab.
    »Wir werden springen müssen und dann laufen, nicht wahr?«, frage Mr Rushforth wenig erfreut. Samuel konnte sich seine säuerliche Mine lebhaft vorstellen. Er hätte sich ein heimliches Lächeln gestattet, wenn die Lage weniger ernst gewesen wäre. Mr Rushforth war ein guter Reiter, ein passabler Fechter und immerhin auch ein recht anständiger Kricketspieler, doch war er noch nie zuvor gezwungen gewesen, einen so hohen Baum zu erklimmen, um von einer Mauer zu springen und den weiten Weg zu einem Herrenhaus zu laufen.
    »Es ist fast geschafft, Sir«, sagte Sam schlicht. »Und es

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