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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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hängt alles von uns ab.«
    Wenn die Vermutung von Lady Penelope zutraf und sie schnell genug waren, würde das Totenbuch noch rechtzeitig zur Übergabe eintreffen. Nur dann konnten sie darauf hoffen, dass ihr Plan am Ende aufgehen würde. Anstelle einer Antwort schwang Mr Rushforth auch das andere Bein über die Mauer und sprang beherzt in die Tiefe. Samuel konnte den Aufprall hören und ein unverhofft liederliches Fluchen. Er sprang ebenfalls hinterher. Nur wenig später eilten sie durch den Park. Die schnurgeraden Hecken flankierten ihren Weg als schwarze Schemen. Die Gärten hinter ihnen waren in der Dunkelheit nicht einmal zu erahnen. Dennoch hoffte Samuel bei jedem Schritt, die Morgendämmerung möge noch fern sein. Als sie den Fluss über querten, warf er einen Blick gen Osten. Und als das Haus in Sichtweite kam, begannen sie beide, wie auf ein Zeichen hin, zu rennen.
    Auf den sauberen Kieswegen umrundeten sie das mächtige Herrenhaus, setzten über einen Rasen und kamen endlich beim Lieferanteneingang an. Samuel zog so lange an dem Klingelzug, bis ein verschrecktes Küchenmädchen die Tür einen Spaltbreit aufsperrte. Es trug eine altmodische Öllampe vor sich her. Erst als die Kleine den Hausdiener erkannte, war sie bereit, die Tür freizugeben, um dann erschrocken eine Hand vors Gesicht zu schlagen, als sie den jungen Herrn erkannte. Es war in ihrer Vorstellung schlichtweg nicht vorgesehen, dass die Herrschaft jemals zum Lieferanteneingang hereinkommen würde, am allerwenigsten um vier Uhr in der Früh.
    Mr Rushforth gab vor, ihr Erschrecken nicht zu bemerken, als er eintrat. »Würden Sie bitte Mr Frost aufwecken und ihm sagen, dass ich in der Gesindestube auf ihn warte?«, wies er sie an. »Und wenn Sie dann vielleicht eine Tasse Tee für uns hätten?«
    Als sie endlich saßen, auch Samuel, jeder an einer Seite des langen Tisches, und ohne ihre Mäntel abzulegen, wusste der Diener, dass dies eine jener Stunden war, die er nie wieder vergessen würde, selbst nicht nach hundert Jahren. Die Küchenmagd hatte die Öllampe zwischen ihnen auf dem Tisch abgestellt, denn sie waren beide zu erschöpft, um die Gaslampen zu entzünden. Außerdem passte die rußende gelbe Flamme zu dem Geheimnis, das sie hierher geführt hatte, an diesen Tisch, an der Grenze zwischen Nacht und Morgen und zu der abenteuerlichen Reise auf dem Motorrad, die sie gemeinsam zurückgelegt hatten.
    »Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie mich begleitet haben«, ergriff Mr Rushforth in die Stille hinein das Wort. »Wir können nicht wissen, wie die Sache ausgehen wird, aber es soll für Sie kein Schaden daraus entstehen. Wir werden beide seiner Lordschaft erklären, dass ich darauf bestanden habe, Sie mitzunehmen. Und ich werde ihm auch sagen, dass es allein mir anzulasten ist, dass Lady Penelope gemeinsam mit Lord Nyles aufgebrochen ist.«
    Er sprach völlig gefasst. Ohne dass es nötig gewesen wäre, ein Wort darüber zu verlieren, verstand Samuel, dass der junge Herr sich auch dafür bedankte, dass er nach dem Vorfall an Weihnachten auf der Terrasse geschwiegen hatte. Es war eine sehr lange Fahrt gewesen, auf der Samuel mit angezogenen Beinen in dem holprigen Beifahrerwagen gekauert hatte, eingehüllt in Mr Rushforths zweitbesten Mantel. Während der langen durchfrorenen Stunden war es praktisch unmöglich gewesen, nicht an jene nächtliche Szene zurückzudenken, oder daran, mit wem er verwechselt worden war. Seit Weihnachten hatte Samuel immer wieder das Gefühl, nach einer der schweren silbernen Schüsseln zu greifen, die seinen fahrigen Händen bereits entglitten war. Noch während er sie packen wollte, wusste er, dass er sie nicht mehr zu fassen kriege würde, und erwartete den schrillen Misston zu hören, der durchs Haus hallen würde, sobald sie scheppernd zu Boden ging. Doch obwohl ihm alles entglitt, blieb das Donnerwetter aus. Auf der anderen Seite des Tisches sah ihn der junge Mr Rushforth voll müder Besorgnis an. Das Licht der Öllampe zeichnete seine Züge weich nach und gab seinen ewig unordentlichen Haaren einen wohlwollenden Anstrich.
    »Es gibt nichts, wofür Sie sich bedanken müssen«, stellte Samuel mit derselben Selbstverständlichkeit fest, mit der er Mr Rushforth Morgen für Morgen geweckt hatte. »Ich würde dieselbe Entscheidung jederzeit wieder treffen.«
    Noch während er es aussprach, wusste Samuel, dass er die reine Wahrheit sagte. Nach Monaten, in denen er sorgfältig jeden Gedanken an Julian Rushforth

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