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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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zu bieten, das wir nicht hundertfach tiefer unter der Weite eines freien Himmel empfinden würden?«, spielte Nyles den Ball anstandslos zurück.
    »Da spricht der Geist des wahren Romantikers …«, versuchte Genevieve die Führung des Gesprächs mit einem wohltemperierten Lachen wieder an sich zu reißen.
    »Spazieren Sie gerne auf Feldwegen und Dorfstraßen unter der Weite eines freien Himmels dahin?«, erkundigte sich Penelope fürsorglich, ohne ihre Mutter wieder zu Wort kommen zu lassen. Doch Claire legte nicht weniger Entschlossenheit an den Tag, um sich Nyles Aufmerksamkeit zu sichern. Bevor der junge Lord Gelegenheit hatte zu antworten, schoss ihre Hand vor. Ihre zarten Finger umschlossen eisern Penelopes Handgelenk und ihre Nägel bohrten sich durch den dünnen Stoff der Bluse bis in ihre Haut.
    »Nicht jeder hier teilt deine Begeisterung für freies Herumstromern in den Feldern«, ermahnte sie Penny mit vorgetäuschter Milde. »Und eine vom Wind zerzauste Frisur kleidet eine Dame nur in Maßen.« Von ihren Lippen perlte ein Lächeln, um das sie von jeder Stummfilmdiva beneidet worden wäre. Sie beugte sich zu Penny vor, fing ein paar entkommene Haarsträhnen ein und steckte sie mit geschickten Handgriffen wieder fest. Obwohl Claire die zarten Finger einer Klaviervirtuosin besaß, stieß sie die Haarkämme so beherzt zurück an ihren Platz, dass Penny davon die Kopfhaut schmerzte und sie vor Schreck die Mandelmakrone zerbrach.
    »Meine kleine Schwester ist noch immer ein rechter Wildfang«, berichtete Claire mit glockenheller Stimme. »Erst heute Morgen ist sie einfach wieder hinter Julian aufs Pferd gestiegen und den ganzen Tag draußen herumgestromert. Ihr teilt noch immer genauso viele Geheimnisse miteinander wie früher, nicht wahr, Liebes?« Obwohl das Strahlen auf Claires Gesicht ausgereicht hätte, um die neue elektrische Beleuchtung des Salons in den Schatten zu stellen, war auf einen Schlag jedes Gespräch verstummt.
    Was auf den ersten Blick wie der liebevolle Tadel einer älteren Schwester geklungen hatte, war nichts weniger als ein geschickter Schachzug gewesen, um Penny in den Augen der Gäste bloßzustellen. Schließlich konnte es sich eine heranwachsende junge Dame nicht erlauben, unbefangen wie ein Kind durch die Felder zu toben. Und wäre Julian nicht wie ein Sohn in der Familie aufgewachsen, hätte dieser gemeinsame Ausritt Pennys Ruf noch vor dem Beginn der nächsten Saison vollends zugrunde richten können. Denn einem Mädchen, das es fertigbrachte, hinter einem Mann aufs Pferd zu steigen, waren noch weit skandalösere Verfehlungen zuzutrauen.
    Während Penny die zertrümmerte Makrone unter dem Tisch unauffällig an den Kater verfütterte, waren oberhalb der Tischkante prompt alle um ein paar unverfängliche Höflichkeiten bemüht. Lord Nyles machte der Gastgeberin ein artiges Kompliment zu den Blumen, die den Salon zierten. Der Earl rang sich endlich dazu durch, Colonel Feltham mit einer paar knappen Bemerkungen über die übrigen Reiter der Fuchsjagd ins Bild zu setzen. Lady Derrington schenkte allen eigenhändig Tee nach, und Claire sah versonnen aus dem Fenster in den nachmittäglichen Park hinaus, in dem es bereits zu dämmern begann. Penelope wünschte sich aus tiefstem Herzen, wie der Zauberkünstler eines Varietétheaters in eine unsichtbare Dimension wechseln zu können. Doch sie blieb im sichtbaren Spektrum gefangen. Es war ihre Mutter, die mit ruhiger Bestimmtheit zur Rettung der Lage eingriff.
    »Julian ist das Mündel meines Gatten«, klärte sie die Gäste auf, als sie ihnen die Zuckerdose darbot. »Er ist zusammen mit den Mädchen auf Wainwood aufgewachsen. Er hat sie wie ein großer Bruder vor kläffenden Hunden und schimpfenden Gouvernanten beschützt.« Indem sie eine familiäre Verbundenheit wie unter Geschwistern andeutete, nahm sie Claires Bemerkung den skandalösen Beigeschmack. Mehr Schadensbehebung war schwerlich möglich. Es blieb lediglich zu hoffen, dass Lord Nyles und der Colonel nirgendwo herumerzählen würden, dass die jüngste Tochter der Goodalls jungenhaft verwildert war.
    »Sie haben noch einen kleinen Sohn, nicht wahr?«, erkundigte sich Feltham und steuerte damit einträchtig an Genevieves Seite in ein ruhigeres Fahrwasser.
    »Ja, aber Benjamin ist erst fünf Jahre alt. Er ist noch zu lebhaft für mein Teegeschirr«, erklärte die Gastgeberin. Das Kindermädchen hätte ihr bestätigen können, dass der kleine Benny Tassen am liebsten zum Turmbauen

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