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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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Jones erstreckte, erkannte sie schnell den Fehler in der Gleichung.
    »Ich habe noch nie einen Sultan getroffen«, erklärte sie nüchtern, während sie aufstand, um ihr Nachthemd überzustreifen. Hanna zog ein sichtlich enttäuschtes Gesicht. Jane fügte eilig hinzu: »Aber Nomaden. Sie sind mit ihren Familien und ihrer Ziegenherde herumgezogen.«
    »Wollten sie dich rauben?«, hauchte Hanna ehrfürchtig, als ihre Neugier endgültig über ihre Schüchternheit siegte.
    »Nein, aber sie haben vorzüglichen Tee mit Gewürzen gekocht, sehr stark und süß. «
    Obwohl das nicht die Antwort war, die Janes Zimmergenossin erwartet hatte, schmälerte das ihre Faszination kaum. Versonnen begann sie zu lächeln und selbst das Geschenk ihres heimlichen Verehrers war vorerst vergessen. »Tee? Mit Scones und Sandwiches?«, fragte sie ungläubig kichernd.
    »Nun, nicht ganz«, gab Jane zu. Es war lange nach Mitternacht. Sie hätte sich endlich liebend gern der Länge nach in ihrem Bett ausgestreckt. Sie wollte nur noch im vertrauten Seifenduft der steifen Laken ver schwinden und sich die schwere Federbettdecke bis über die Ohren ziehen. Doch stattdessen kletterte sie im Nachthemd zurück auf Hannas Bett, den bunten Schal ihrer Mutter wie einen schützenden Umhang um die Schultern geschlungen. »Die Nomaden leben in Zelten in der Wüste. Das ist eine karge Landschaft aus Sand und Stein, in der es bei Tage glühend heiß wird und dir die Sonne die Haut verbrennt. Aber in der Nacht ist es dafür so kalt, dass alle am Lagerfeuer sitzen und heißer Tee getrunken wird …«
    Beim Schein der einzigen Kerze begann Jane ihre Heimat auferstehen zu lassen. Sie erzählte Hanna von den hochmütigen Kamelen und den majestätischen Pharaonenstatuen, die so weit über den Menschen aufragten, als würden sie bis in alle Ewigkeit über sie herrschen. Sie beschrieb die Schlangenbeschwörer in den verwinkelten Gassen von Kairo und das leidenschaftliche Feilschen auf den Basaren. Ihre Erzählung gewann noch dadurch, dass der unruhige Schein der Kerzenflamme Schatten an die Wand warf und der Wind über die Dachschrägen hinwegfegte. Während die übrigen Bewohner des Herrenhauses in ihren Betten schliefen, zerbröselten die Mädchen die Tartelettes mit den Fingern und schoben sich die klebrige Masse in den Mund.
    »Hattest du gar keine Angst, so lange unter den un zivilisierten Wilden zu leben?«, fragte Hanna nach denklich kauend.
    »Ich finde England viel beängstigender«, antwortete Jane wahrheitsgemäß. »All diese entsetzlich wichtigen Dinge, die es zu beachten gilt, wie akzeptable Ge sprächsthemen, dem Anlass entsprechende Kleidung oder die jeweils angemessene Anrede. Da kann man leicht alles falsch machen.«
    »Oh, du hast nicht alles falsch gemacht …«, beteuerte Hanna in einem so ernsthaften Tonfall, dass Jane nicht länger daran zweifelte, genau das getan zu haben. Scheinbar ging dem anderen Dienstmädchen ein ganz ähnlicher Gedanke durch den Kopf, denn wie auf ein geheimes Zeichen begannen beide erst albern zu kichern und dann in haltloses Gelächter auszubrechen.
    Es war nicht länger wichtig, dass sie bereits in wenigen Stunden wieder aufstehen würden. Mrs Chambers strenges Regime hatte für die Frist einer Nacht keine Macht mehr über sie, auch wenn die alte Ordnung schon bei Tagesanbruch wie durch einen Zauber wiederhergestellt sein würde.
    Der unerhörte Heiterkeitsausbruch fand ein jähes Ende, als die Dielen im Dachgestühl über ihrer Kammer laut zu knarren begannen. Prompt zuckte Hanna zusammen und verstummte. Auch Janes Blick wanderte zur Decke. »Kann das der Kater sein?«, fragte sie skeptisch.
    »Es sind Schritte«, betonte Hanna mit ungewohnter Bestimmtheit und gesenkter Stimme. »Jemand schreitet dort entlang. Und es ist nicht das erste Mal.«
    Inzwischen war Jane zu müde für behutsame Fragen. »Unsinn, wer sollte denn um diese Zeit auf den Dachboden steigen?«
    »Der Geist eines kleinen Mädchens«, raunte Hanna. Sie bemerkte die Zweifel in Janes Blick und beugte sich zu ihr vor. Aufgewühlt flüsterte sie: »Die alte Nell hat mir erzählt, dass es hier früher ein Mädchen gab, das heimlich auf dem Dachboden gespielt hat. Die Kleine ist kurz nach ihrer Hochzeit unter grausigen Umständen in Ägypten gestorben. Seitdem kehrt ihr Geist Nacht für Nacht an die Stätte ihrer Kindheit zurück, ohne Frieden zu finden.« Als sollte Hannas Gespenstergeschichte untermalt werden, ging von Neuem ein ächzendes Knarren durch

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