Waisen des Alls

wieder hinhockte und durchs Zielfernrohr seines Gewehrs das Laubwerk in der Tiefe musterte. Greg überlegte kurz.
    »Ich glaube, ihr beide solltet bei Pauly bleiben, für den Fall, dass sie es noch einmal versuchen sollten«, sagte er. »Ich klettere hoch und bringe die Sprengladungen an, sobald Rory mir den Überhang gezeigt hat.«
    Rory hatte das Gewehr des toten Soldaten an sich genommen und reichte es Alexej, dessen Augen sich staunend weiteten.
    »Ein Kellermann 5,56 - hübsche Waffe, ziemlich selten, sehr gesucht.«
    »Aye, aber verhöker Sie nicht gleich, okay?«, sagte Rory. »Also Chef, folgen Sie mir.«
    Der Überhang entsprach genau Rorys Beschreibung, eine massive, vorgeneigte Steinsäule. Mit der bei Onkel Theos Veteranen gewonnenen Erfahrung hatte Rory die am besten geeigneten Detonationspunkte bestimmt und sie mit kleinen Papierknäueln markiert, die er in Risse gestopft hatte. Wie er so von Felsleiste zu Felsleiste nach oben, von Markierungspunkt zu Markierungspunkt kletterte, stellte Greg fest, dass er von hier aus eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Felsenhügel und Berggipfel hatte, ein Labyrinth von Klüften und Schründen. Im Westen lag das alles überragende Massiv des Hauerbergs. Der Eingang der Feste war ein kleiner, dunkler Flecken inmitten des grauen Gesteins. Er lag in sechshundert Meter
Höhe, während der Gipfel noch über fünfhundert Meter höher aufragte, zugänglich nur über einen anstrengenden Aufstieg.
    Er wollte sich gerade auf den Rückweg machen, als sein Ohrhörer piepte. Er lehnte sich an den sonnenwarmen Fels, drückte einen Knopf und schaltete auf Fernbereich um.
    »Hier Greg.«
    »Greg, hier spricht Bessonow - wir haben die Wand der Claudiusschlucht gesprengt. Die schlechte Nachricht: Ein paar Soldaten sind durchgekommen, bevor alles eingestürzt ist.«
    »Wie viele?«
    »Schwer zu sagen - vielleicht zwanzig oder auch mehr. Wir haben zwei Gefallene und ziehen uns zurück.«
    »Haben Sie die mobilen Einsatzgruppen um Unterstützung gebeten?«, fragte Greg besorgt.
    »Eine ist schon unterwegs. Die andere ist noch im Augustustal. Washutkin ist dort auf heftigen Widerstand gestoßen und hat sie angefordert.«
    Greg schüttelte den Kopf. Offenbar hielt Washutkin seinen Einsatz für besonders wichtig. »Okay, ziehen Sie sich in die Vorberge zurück und nehmen Sie Verbindung zur mobilen Einsatztruppe auf. Wir stoßen so schnell wie möglich zu euch.«
    Ist es jetzt so weit?, dachte Greg und kletterte geduckt über eine Felsleiste. Zeigt sich jetzt des Pudels Kern?
    Er schaltete auf Nahbereich um, schilderte Alexej, Rory und Pauly kurz die Lage und forderte sie auf, sich zur anderen Seite der Schlucht zu begeben und sich vom Rand des Wasserfalls fernzuhalten. Er selbst hatte unterdessen in etwa dreißig Metern Entfernung von den Sprengladungen eine breite, massive Leiste nahe einem Grat gefunden. Als er auf der kühlen, ebenen Steinfläche saß, zählte er
über Funk von Fünf herunter, dann betätigte er den Fernzünder.
    Es krachte ohrenbetäubend laut. Dunkle Wolken schossen von den Explosionsstellen hoch, und der gewaltige Überhang kippte und stürzte mitten zwischen ihnen hindurch. Gleichzeitig wurden große und kleine Gesteinsbrocken umhergeschleudert, und Greg beobachte erst erstaunt und dann in heller Panik, wie ein großer Brocken aus dem Staubchaos hervortrudelte und auf ihn zuflog. Kaum drei Meter entfernt krachte er auf den oberen Rand der Schlucht. Greg spürte den Aufprall und sah, wie sich Risse in der Felswand eten. Längliche Splitter brachen ab. Ganz in der Nähe hatte sich ein tiefer Riss geet, und das Gestein erbebte und schwankte unter seinen Füßen. Er hatte lautes Geschrei im Ohr, wurde jedoch allein von Angst gesteuert, als er herumfuhr, über eine sich weitende Lücke im Fels hinwegsetzte und wie verrückt nach oben kletterte.
    Ein Grollen war zu hören. Der Boden bebte, graue Staubwolken stiegen auf. Greg brachte sich auf dem Geröllhang eines kleinen Grats oberhalb der Juliusschlucht in Sicherheit, ließ sich auf einen großen Stein sinken und versuchte, sich ein von der Lage zu machen. Nach einer Weile machte das Grollen einer gespenstischen Stille Platz. Er wollte gerade zur Schlucht zurückgehen, als er ganz in der Nähe ein Brummen hörte. Das Brummen wurde lauter und schriller, und dann tauchte auf einmal Varstrands Luftschiff an der anderen Seite des Grates auf, flog eine Kurve und wurde dann langsamer.
    Greg rief und winkte und sah,