Wait for You: Roman (Wait for You-Serie) (German Edition)
gesehen, wie er dich angefasst hat.«
Ich wandte den Blick ab und schluckte, um die aufsteigende Übelkeit zu bekämpfen. »Mehr hat er nicht getan. Er hat mich überrumpelt, und ich habe total überreagiert. Ich fühle mich wie ein Volltrottel.«
Brit kaute auf ihrer Unterlippe. »Nicht, dass es cool wäre, wenn ein Kerl dich einfach anfasst… denn das ist es nicht, und obwohl es auf Partys ständig passiert, ist es wirklich nervig.« Sie zögerte. »Warum hast du überreagiert?«
Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her und rieb mir die Hände über die Oberschenkel. »Wie ich schon sagte, er hat mich erschreckt. Er hat mich auf dem falschen Fuß erwischt.«
»Auf dem falschen Fuß erwischt…«, wiederholte sie, dann holte sie tief Luft. »Okay, ich werde ehrlich zu dir sein. Dafür hat man doch Freunde, oder?«
Unbehagen stieg in mir auf. »Richtig.«
Wieder zögerte Brit. »Ich habe dein Gesicht gesehen, Avery. Du hattest panische Angst. Das hatte nichts damit zu tun, dass er dich auf dem falschen Fuß erwischt hat oder dass du selten auf Partys gehst. Und ich will nicht ignorant sein, indem ich das sage, also fass es bitte nicht so auf… aber das war keine normale Reaktion.«
Keine normale Reaktion. Als wüsste ich das nicht? Ich schaute zu Brit, und plötzlich wollte ich ihr die Wahrheit sagen – ihr alles erzählen. Das Verlangen danach war unerklärlich und gleichzeitig schwer zu unterdrücken. Die Worte lagen mir schon auf der Zunge. Jahre des Schweigens hingen zwischen uns in der Luft. Brit wartete angespannt, und noch bevor ich meinen Mund öffnete, konnte ich es in ihren Augen und an dem harten Zug um ihren Mund erkennen. Sie war nicht dämlich. Sie vermutete etwas, vielleicht sogar das Schlimmste. Sie empfand Mitgefühl. Vielleicht entdeckte ich da sogar einen Funken Mitleid in ihren Augen.
»Ist… Ist dir etwas zugestoßen, Avery?«, fragte Brit leise.
Das Verlangen, es ihr zu sagen, es irgendjemandem zu erzählen, sank in sich zusammen wie ein Ballon, in den man eine Nadel gestochen hatte. Ich schaute aus dem Fenster auf die überfüllte Straße hinaus. Dann schüttelte ich den Kopf. »Nein. Mir ist nichts zugestoßen.«
Kapitel 15
Brit sprach das Thema nach diesem Morgen im Café nicht mehr an. Und wie versprochen war Jacob am nächsten Tag übermäßig aufgeregt über das Date mit Cam – er sprang, klatschte und führte sogar einen kleinen Tanz auf. Man hätte meinen können, es sei Jacob, der mit Cam ausging.
Ich versuchte, mich nicht übermäßig in das Date reinzusteigern, auch wenn das eigentlich unmöglich war. Noch schwerer fiel es mir, nicht jedes Mal daran zu denken, wenn ich mit Cam zusammen war. Eigentlich hatte sich nichts zwischen uns verändert, aber irgendwie wirkte doch alles anders. Wenn er neben mir im Kurs saß, war ich mir seiner Anwesenheit plötzlich absurd bewusst. Jedes Mal, wenn er sich bewegte oder sein Bein an meines stieß, überlief ein kribbelndes Gefühl meinen ganzen Körper, das für den Rest der Stunde anhielt. Ich war mir nicht sicher, ob er es bemerkte, und hoffte inständig, dass dem nicht so war.
In der nächsten Woche legte sich eisige Kälte über die Gegend. Die Bäume waren kahl, und der Wind vom Potomac schüttelte sie wie trockene Knochen. Es war ewig her, seitdem ich das letzte Mal solches Wetter erlebt hatte. Egal, wie dick ich mich auch einpackte, immer wenn ich zur Uni ging, fühlte ich mich wie in Alaska.
Am Freitag vor dem ›großen Abend‹ war Cam in seltsamer Stimmung und schrieb im Kurs tatsächlich mit.
»Na, sieh mal einer an«, murmelte ich, während Professor Drage uns auf dem Overheadprojektor ein Foto von der Milchstraße nach dem nächsten zeigte. »Du passt tatsächlich auf.«
Cam musterte mich aus dem Augenwinkel. »Ich passe immer auf.«
» O -ho.«
Er drehte seinen Stift in den Fingern, die Augen unverwandt auf Drage gerichtet. »Du würdest durchfallen, wenn es mich nicht gäbe.«
Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Gäbe es dich nicht, könnte ich mich viel besser konzentrieren.«
»Ist das so?« Er lehnte sich zur Seite, bis seine Schulter an meine gedrückt wurde. Einen Moment lang beobachtete er noch den Professor, dann drehte er sich um. Als er sprach, berührten seine Lippen meine Schläfe und ich bekam Gänsehaut. »Wie lenke ich dich denn so ab, Süße?«
»Nicht auf die Art, an die du gerade denkst«, sagte ich. Das war eine Lüge.
»Red dir das nur weiter ein.«
»Eines Tages wird
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