Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wakolda (German Edition)

Wakolda (German Edition)

Titel: Wakolda (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Puenzo
Vom Netzwerk:
den Rücken.
    »Wieso kennen dich diese Nachbarn eigentlich?«
    Zwischen zwei Hustenanfällen berichtete Lilith, wie sie José neulich begleitet hatte, als er seinem Bekannten die erste fertige Puppe brachte. Enzo nickte. Mehr wollte er gar nicht wissen. Wortlos reichten sie der Krankenschwester, die ihnen das letzte Mal die Tür geöffnet hatte, den Zettel durch das Gitter. Die Frau warf einen Blick auf Liliths blutbeschmiertes Kleid und gab dem Türhüter ein Zeichen, das Tor zu öffnen.
    Das Haus des Nachbarn war ähnlich geschnitten wie die Pension, es stammte aus derselben Zeit und war im selben alpinen Stil erbaut. Die Krankenschwester führte Lilith und Enzo über den Flur mit den vielen Türen. Auf den ersten Blick wirkte das Haus wie ein Hotel, doch dann schlurfte ein Mann mit einem fahrbaren Tropf an ihnen vorüber, gleich darauf sahen sie einen Mann im Rollstuhl, der in einem Wintergarten saß und das Schneetreiben hinter den Fensterscheiben beobachtete. Zwei weitere Frauen in Schwesterntracht kamen ihnen entgegen. Also war es wohl doch eher eine Art Privatklinik? Die Schwester blieb vor einem Zimmer stehen, schloss die Tür auf und verschwand darin.
    »Wo sind wir hier?«, flüsterte Lilith.
    »Keine Ahnung, was das hier ist«, flüsterte Enzo zurück.
    Er wurde immer unruhiger. Dann ging er ein paar Schritte vor und winkte Lilith, sie solle ihm folgen. Am Ende des Flurs stand die Doppeltür zu einem größeren Saal offen. Enzo legte den Finger an den Mund und spähte vorsichtig um die Ecke. Ein gutes Dutzend Männer sowie ein paar Frauen saßen um ein Radio herum und lauschten schweigend den Nachrichten. Sie wirkten verstört, teilweise auch empört.
Das Verhör fand in einer konspirativen Wohnung statt. An ein Bett gefesselt, wurde er so lange vernommen, bis er gestand, weder Ricardo Klement noch Otto Henninger zu sein
, las der Radiosprecher vor.
Schließlich nannte er seine wirkliche SS-Nummer und gab zu, dass er Adolf Eichmann war
. Enzo drückte Liliths Hand und bedeutete ihr, dass sie sich weiter mucksmäuschenstill verhalten sollte.
Eichmann wurde genötigt, ein Schreiben zu unterzeichnen, in dem er seinen Aufenthalt in Israel für freiwillig erklärte
. Eine Frau weinte still vor sich hin. Doch Lilith achtete weder auf die Frau noch auf das, was der Radiosprecher sagte. Sie starrte wie gebannt auf ein Marmorregal, in dem sie zwischen zwei persischen Vasen und anderen Kunstgegenständen den Zwilling der Importpuppe entdeckt hatte.
Eine Woche später wurde Eichmann, als Flugzeugmechaniker getarnt, an Bord einer EL-AL-Maschine geschleust. Mit einem Ticket für die erste Klasse und einem falschen Pass verließ er das Land Richtung Haifa
. Ein Mann erhob sich und schenkte sich ein Glas Whiskey ein; als er aufschaute, fiel sein Blick direkt auf Enzo. Wortlos näherte er sich ihm und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Die Stimme des Radiosprechers drang jedoch weiter bis auf den Flur.
Das argentinische Außenministerium hat die Verletzung der Staatshoheit beanstandet und angekündigt, den Fall vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu bringen
.
    »Ich bräuchte dann bitte mal Ihre Hilfe«, ertönte plötzlich die Stimme der Krankenschwester in ihrem Rücken.
    Sie stand mit einer großen Sauerstoffflasche in der Hand auf der Türschwelle. Enzo eilte zu ihr hin und staunte nicht schlecht. Das Zimmer war ein regelrechter Operationssaal. Sie hatte bereits alles hingelegt: Sonden, Mullbinden, Spritzen und ein paar Ampullen. Josés Zettel in der Hand, ging die Schwester alles noch einmal durch und packte es zusammen. Enzo rief nach Lilith, und zu dritt trugen sie die Sachen nach draußen.
    »Hier steht, ich soll mitkommen«, sagte die Krankenschwester.
    Sie winkte mit Josés Zettel.
    Kurz darauf schleppten sie die Sauerstoffflaschen durch den immer dichter fallenden Schnee zum Nachbargrundstück und die Treppen des Hauses hoch bis ins Schlafzimmer. José war noch mit dem Nähen der Schnittwunde beschäftigt.
    »Sie haben so etwas wohl schon öfter gemacht«, murmelte Eva auf Deutsch. Schmerz und Erschöpfung ließen sie in die Sprache ihrer Kindheit wechseln.
    »Ich habe sicher mehrere hundert Kinder entbunden«, bestätigte José und setzte den letzten Stich.
    »Dann sagen Sie mir, ob die beiden durchkommen.«
    »Warten wir ab, wie sie die Nacht überstehen«, lautete seine knappe Auskunft.
    Luned und Tegai waren Eva behilflich, die Beine auszustrecken, schüttelten ihr das Kissen auf und deckten

Weitere Kostenlose Bücher