Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
Hängen durchzogen. Und es gab keinen Zweifel, dass der Wilderer die Gegend kannte wie seine Westentasche. Morgenstern hatte plötzlich eine unangenehme Assoziation: Die Situation kam ihm merkwürdig bekannt vor. Ein Mann, der vor seinen Häschern in die Wälder flüchtet. Mit nichts bewaffnet als einem Messer.
»Allmecht!«, entfuhr es dem gebürtigen Nürnberger, als der Groschen gefallen war. »Das ist ja wie bei ›Rambo‹!«
Schneidt sah Morgenstern verständnislos an. »Wie bitte?«
»Der Erwin Zachinger, der ist jetzt so unterwegs wie Sylvester Stallone in ›Rambo I‹.«
»Morgenstern! Ich will so einen Quatsch nicht hören«, schimpfte Schneidt. »Sie haben in Ihrer Jugend offenbar zu viele schlechte Filme gesehen, auf solche Vergleiche kommt sonst bloß die Bild-Zeitung. Stellen Sie sich mal die Schlagzeile vor: ›Polizei jagt Jura-Rambo!‹ Auf so was warten die nur.«
»Ich hab ja bloß gemeint«, sagte Morgenstern entschuldigend und fügte dann beschwichtigend hinzu: »Außerdem war der echte Rambo nicht mit dem Radl unterwegs.«
»Der Radl-Rambo von Biesenhard, das wird ja immer schlimmer!« Schneidt raufte sich die Haare. »Schluss jetzt mit diesem Unsinn. Erzählen Sie mir lieber, was Sie gegen diesen Zachinger in der Hand haben, wenn wir ihn fassen.«
Morgenstern fummelte die Gamstrophäe hervor und hielt sie Schneidt hin. »Mit dem passenden Datum«, erklärte er. »Das ist mit Sicherheit das Tier, das er damals dem Schreiber vor der Nase weggeschossen hat. Das ist die Verbindung zwischen Zachinger und Schreiber. Deswegen hatten die beiden noch eine Rechnung offen. Wir wissen doch, dass Schreiber eines Tages herausgefunden hatte, wer seine Gams erschossen hat.«
»Vielleicht haben andere Jäger, Kollegen von Schreiber, Näheres über einen konkreten Konflikt zwischen Zachinger und Schreiber gehört«, schaltete sich Hecht ein. »Wäre doch denkbar?«
»Gehen Sie der Sache nach«, befahl Schneidt. »Rufen Sie den Vorsitzenden vom Jägerverein an, hören Sie sich um. Und was diesen Erwin Zachinger angeht: Den lassen wir jetzt einfach mal ein bisschen im Wald sitzen. Der wird schon nach Hause schleichen, wenn es ihm da draußen zu ungemütlich wird. Und dann schnappen wir ihn.«
Morgenstern nickte erleichtert. »Und ich hatte schon befürchtet, Sie würden uns auf die Suche nach Rambo in die Wälder schicken.«
»Was nicht ist, kann ja noch werden«, knurrte Schneidt.
Martin Beyer, der Vorsitzende des Jägervereins Eichstätt, dessen Namen Hecht beim Landratsamt erfragt hatte, war nicht zu erreichen. Ihr Mann sei auf dem Volksfest, sagte seine Frau am Telefon, wie so viele andere Jäger auch.
»Am Dienstagnachmittag auf dem Volksfest?«, fragte Hecht zweifelnd. Aber natürlich, der Dienstag sei auf der Wiesn traditionell der Tag des Landvolks, der sogenannte »Bauernerchta«, mit einer großen Kundgebung des Bauernverbands im Bierzelt, einem Bauernmarkt und einem Treffen aller Menschen, die sich der Land- und Forstwirtschaft zugehörig fühlen. »Also auch der Jäger.«
»Perfekt«, sagte Hecht. »Dann haben wir ja die gesamte Jägerschaft auf einem Haufen.«
»Aber vorher rufe ich noch beim Ballistiker im Landeskriminalamt an«, sagte Morgenstern und wählte auch schon die Nummer.
»Wir haben da eine Jagdtrophäe mit einem Einschussloch. Ein glatter Schuss durchs Hirn einer Gämse. Können Sie herauskriegen, ob es dasselbe Kaliber war wie der tödliche Schuss auf Schreiber?«, fragte er, als sich sein Gesprächspartner gemeldet hatte.
»Das können Sie sogar selbst«, antwortete der LKA -Kollege. »Holen Sie sich eine 7.92er-Patrone, irgendwo im Präsidium werden Sie wohl eine finden, und stecken Sie das Ding einfach probeweise durch dieses Loch im Knochen. Kleiner Tipp vom Fachmann: Wenn die Kugel nicht durchpasst, wurde Ihre Gämse mit einem kleineren Kaliber erlegt.«
»Vielen Dank für den Rat«, sagte Morgenstern spitz. »Ich hatte von der Ballistikabteilung allerdings ein bisschen mehr Hightech erwartet, nicht so ein Steckspiel für Kleinkinder.«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte der Experte. »Wir tun, was wir können, aber manchmal wäre es uns schon recht, wenn die Kollegen draußen bei der Kripo ein bisschen mitdenken würden. Das Rätsel mit dem passenden Kaliber lasse ich Sie jetzt jedenfalls mal selbst knacken. Wenn Sie nicht weiterkommen, dürfen Sie mich gerne wieder anrufen.« Der Hörer klackte, der Ballistiker hatte grußlos aufgelegt.
»Kann das sein, dass der
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