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Wald der Masken

Wald der Masken

Titel: Wald der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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nicht, ob Ilfa und die anderen überhaupt noch lebten.
*
    Cobor hatte die Verschleppung wie in einem bösen Traum erlebt. Nicht einmal die Hände waren im steinernen Griff des Marmornen frei gewesen. Krant war mit ihm in den Marmorbruch zurückgelaufen, über Pfade und weite Ebenen, durch Täler und Schluchten. Cobor hatte geschrien, bis ihm die Luft ausging – und dann nur noch gewartet. Irgendwann einmal mußte auch der Marmorne sich ausruhen, vielleicht in der Nähe einer Schwefelspalte…
    Der Haß verblendete Cobor völlig, und als es endlich soweit war und Krant haltmachte, hatte der Baummensch nur noch einen Gedanken: mit ihm sterben!
    Es gab keine Schwefelquellen in der Nähe, dafür aber etwas anderes. Cobors Verstand arbeitete nur noch in einer Richtung, dort aber dafür um so schärfer. Krant setzte ihn auf einem Felsplateau ab, das an zwei Seiten viele hundert Körperlängen tief abfiel. In diesen Abgrund gelockt, mußte auch ein Marmorner in tausend Stücke zerschmettern.
    Cobor blieb liegen und tat erschöpft. Einmal kam es ihm vor, als hätte er dieses Plateau schon einmal gesehen, die Tafelsteine, die verdorrten Dornbüsche, die Geröllfelder. Doch dieser Eindruck verflog sofort wieder, als Krant sich vor ihm hinsetzte.
    Der Marmorne blickte ihn an. Er saß nur da und starrte ihm in die Augen.
    Er will mit mir spielen! dachte Cobor. Wie die Katze mit der Beute!
    Natürlich, so mußte es sein. Vor Mythors und der anderen Augen konnte er es sich nicht erlauben, sein wahres Gesicht zu zeigen. Er wollte ihn hier grausam töten und dann zurückkehren, um auch die anderen ins Verderben zu locken.
    Cobor schielte nach dem Rand des Plateaus. Fünf, sechs Sprünge trennten ihn von dem Abgrund. Wenn er es bis dorthin schaffte, bevor die Bestie ihn einholte, und andererseits keinen zu großen Vorsprung hatte…
    Er sah sich in die Tiefe stürzen und Krant, von seinem eigenen Schwung vorwärtsgerissen, hinter ihm her.
    Er und ich, Londa! Er büßt für euren Tod, und ich dafür, daß ich euch im Stich ließ!
    Jetzt galt es, den rechten Augenblick zu wählen. Einfach nur aufspringen und losrennen, war nicht genug. Krant mußte abgelenkt werden.
    Der Marmorne kam Cobor sogar entgegen.
    Er hob eine Hand und zeigte auf die Brust des Baumbewohners.
    »Nicht Freund«, drang es grollend aus seiner Kehle. »Du haßt mich so sehr, daß du sterben willst. Du haßt mich nicht für das, was ich bin, Mensch. Ich weiß, warum du es tust.«
    Das war der allerletzte Beweis. Jetzt wußte Cobor endlich von Krant selbst, daß er seine Familie gemordet hatte.
    Aber ihn zum Schein in ein Gespräch verwickeln. Ablenken. In Sicherheit wiegen. Krant wollte also diese Art der Marter. Ihm sagen, daß er Londa und die Kinder getötet hatte. Ihm zeigen, wie…
    Cobor konnte kaum noch weiterdenken. Er sah nur den Abgrund und den Tod.
    »Dein Haß ist so groß, daß du die anderen Menschen nicht daran gehindert hast, in den Verfluchten Wald zu gehen«, sagte Krant.
    »Sprich nicht von ihnen!« schrie Cobor. »Fang schon an! Quäle mich! Ja, ich weiß um die Früchte der Mangobäume. Besser wäre noch ein Herz von ihnen, als eines aus Stein!«
    Krant gab einen Laut von sich, der an fernen Donner erinnerte. Seine mächtige Brust hob sich unter einem tiefen Atemzug. Er schüttelte den schweren Kopf.
    »Du bist krank, Mensch aus dem Hinterwald. Weil ich weiß, daß du krank bist, lebst du noch. Aber ich kann dir vielleicht helfen.«
    Das war noch grausamer, als Cobor es sich hätte träumen lassen. Helfen! Er ihm!
    Cobor hielt es nicht länger aus. Krant würde auf keine Finte hereinfallen. Es kam darauf an, daß Cobor schnell genug war.
    »Du hältst dich für mächtig!« schrie er den Marmornen an. »Du denkst, du hast Gewalt über mein Leben! Dann beweise es! Ich bestimme selbst über mein Leben und meinen Tod!«
    Er sprang auf und rannte auf den Abgrund zu. Er triumphierte, als das Gebrüll des Steinernen hinter ihm erscholl und der Fels unter Krants Füßen erbebte. Noch zwei Schritte, einer…!
    Cobor sprang ins Nichts. Unter ihm waren die wallenden Nebel, die die Tiefe verbargen. Er lachte und schrie seinen Sieg in die Nebel, als Krant neben ihm auftauchte.
    »Ich bestimme über mein Leben, Marmorner, und auch über deines!«
    Der Wind riß ihm die Worte von den Lippen. Krant ruderte mit Armen und Beinen, bekam Cobor zu fassen und riß ihn an sich. Die Steilwand schien rasend schnell in die Höhe zu wachsen. Nichts konnte den Lauf des

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