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Wald-Schrat

Titel: Wald-Schrat Kostenlos Bücher Online Lesen
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schon wieder in Schlaf sinken, doch da bemerkte er, dass sie selbst keine Decke hatte. »Ist dir denn nicht auch kalt?«, fragte er.
    »Das ist egal.«
    »Nein, das ist es überhaupt nicht. Gibt es denn keine andere Decke?«
    »Ich habe nur die eine gefunden. Nimm sie und schlaf gut.«
    »Aber du musst doch auch müde sein. Du solltest sie nehmen.«
    »Dann frierst du aber.«
    Forrest dachte kurz nach. »Wir könnten sie teilen.«
    Imbri zögerte.
    Das hatte er befürchtet. »Du machst dir Sorgen, dass ich dich für eine Nymphe – «
    »Nein, es ist ganz offensichtlich, dass du mich nicht so siehst. Du bist ein weitaus verantwortungsbewussterer Faun, als ich gedacht hätte.«
    »Dadurch, dass ich mich um meinen Baum kümmern muss, bin ich so geworden. Komm, leg dich doch zu mir, Imbri; dann haben wir beide es warm. Die Decke ist groß genug für uns zwei.«
    »Danke.« Sie löste ihre Kleider auf und kroch unter die Decke.
    Nach einem Moment des Erstaunens sagte sich Forrest, dass sie nicht gern angezogen unter einer Decke schlief, weil das nicht sehr bequem gewesen war. Also hatte sie die Kleidung abgelegt. Das war vernünftig. Doch in dem Moment hatte sie ausgesehen wie eine Nymphe, und das wirkte in einer Weise auf Forrest, die er vor Imbri zu verbergen suchte. Er wollte nicht, dass sie glaubte, sich in ihm getäuscht zu haben.
    An seiner Seite legte sie sich nieder und berührte ihn an Schulter und Hüfte. Sie war weich, glatt und warm – ganz wie eine Nymphe. Aber sie ist keine Nymphe, rief er sich ins Gedächtnis. Sie war eine Mähre in Mädchengestalt, ein intelligentes, nachdenkliches Wesen, das sich nicht für nymphische Betätigung interessierte. Deshalb drehte er sich von ihr weg und tat sein Bestes, um ihre Anwesenheit zu vergessen.
    Es dauerte einige Zeit, doch am Ende gelang es ihm wenigstens, wieder einzuschlafen. Später aber, als er erwachte, musste er feststellen, dass Imbri sich an ihn gekuschelt hatte. Ihre nymphischen Attribute erschienen ihm sehr weich. Er wagte keine Bewegung. Doch einzuschlafen traute er sich ebenfalls nicht mehr, denn sonst hätte er davon geträumt, eine Nymphe zu jagen und zu fangen und etwas zu tun, was Imbri abgestoßen hätte. Er wünschte, er hätte diese Wendung vorhergesehen und sie verhindert. Zugleich genoss er jedoch den unerwarteten Körperkontakt. Seine Sicht Imbris hatte sich in einer Weise geändert, die sich nicht mehr rückgängig machen ließ. Einerseits war sie Imbri, seine hilfreiche Begleiterin. Außerdem aber war sie nun mehr für ihn – in einer Weise, die er sich nicht anmerken lassen durfte.
    Forrest lag hellwach und kämpfte darum, seine Gedanken zu ordnen, doch diese wollten sich nicht mehr auf ihre frühere Simplizität reduzieren lassen. Er kannte Imbri als Person, nicht als Nymphe – doch nun wünschte er, sie könnte beides sein. Das freilich war unmöglich.
    Deshalb wurde es eine lange Nacht. Trotzdem fühlte sich Forrest am Morgen nicht müde; offensichtlich brauchte man als Gebilde aus Seelensubstanz gar nicht richtig zu schlafen. Schlaf war nur eine Annehmlichkeit für die dunklen Stunden.
    Als das Licht heller wurde, rührte Imbri sich und erwachte. Sie reckte sich, wobei sie sich an ihm rieb, und fuhr auf. »Ach – richtig«, sagte sie und blickte ihn an. »Wir haben die Wärme geteilt. Einen Augenblick lang habe ich mich gefragt, was ich mit dir unter der Decke zu suchen hatte.«
    »Nur geschlafen haben wir«, sagte er.
    »Ja. Danke.« Sie erhob sich, blickte an ihrem nackten Leib hinunter und konzentrierte sich. Ihr Kleid bildete sich aus ihrer Substanz neu und bedeckte sie. »Ich komme mir dabei vor wie eine Zauberin«, gab sie zu. »Aber es ist wirklich keine Magie, sondern nur eine Neuordnung meiner Seelenmaterie.«
    »Ja.« Doch wie anders es war, diesen nackten Körper zu erblicken, wenn er wusste, dass es sich nicht um den Leib einer gedankenlosen Nymphe handelte. Eigentlich hätte er sich deswegen gar nicht um ihr Aussehen scheren sollen, doch plötzlich war es ihm umso wichtiger. Während der vergangenen Nacht hatte er sich gewünscht, Imbri könnte ihm sowohl Nymphe als auch Freundin sein – dass diese beiden Aspekte einander abwechselten –; nun aber hätte er es am liebsten gehabt, wenn Imbri ihm beides zugleich gewesen wäre. Ein wirklich bedeutender Wechsel der Sichtweise, fand Forrest: die Vorstellung, mit einer echten Person, einer Freundin zu feiern, anstatt mit der Nymphe das Geistlose auszuführen und die andere

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