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Wald-Schrat

Titel: Wald-Schrat Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu achten. Eine Menschenfrau hätte seiner Vorstellung entsprochen, denn Menschen besitzen Körper und Verstand, doch war Imbri kein Mensch und hatte keinen Körper, es sei denn in der augenblicklichen, eher besonderen Situation. Deshalb hatte es wenig Sinn, sich noch weiter damit zu befassen.
    »Du scheinst mir heute Morgen besonders nachdenklich zu sein«, bemerkte Imbri. »Hast du gut geschlafen?«
    Was sollte er darauf antworten? Die Wahrheit erschien ihm nicht angemessen, doch schon den Gedanken, sie zu täuschen, fand er unerträglich. Deshalb zögerte er.
    »Nein, du hast nicht gut geschlafen!«, rief sie betrübt aus. »Ich hätte nicht zu dir unter die Decke kommen sollen! Du hattest nicht genügend Platz, um gut zu schlafen. Bestimmt habe ich dich die ganze Nacht über gestoßen und gestochen und mich herumgewälzt.«
    »Nein. Nein, das war es nicht«, versicherte er ihr. »Du warst fantastisch.«
    »Ich habe dich nicht gestoßen?«
    »Nein, eigentlich nicht.« Wie anstrengend, zwischen Wahrheitsliebe und Diskretion einen Kompromiss zu finden! Normalerweise brauchte sich ein Baumgeist darum wirklich keine Gedanken zu machen.
    »Ich verstehe nicht, was du meinst. Habe ich dich nun gestoßen oder nicht? Habe ich dich im Schlaf gestört oder nicht?«
    Forrest entschied, dass weitere Ausflüchte unhaltbar wären. Er musste offen sein und sich den Folgen stellen. »Du hast mich gestoßen, aber das hat mir nicht wehgetan. Du hast mich im Schlaf gestört, aber nicht, weil du dich hin und her gewälzt hättest. Du hast ruhig geschlafen.«
    »Aber ich habe dich mit dem Ellbogen gestoßen?«
    »Nein.«
    »Mit meinem Knie?«
    »Nein.«
    »Ich verstehe dich nicht. Womit habe ich dich denn gestoßen?«
    »Mit deinem…« Noch immer brachte er es nicht über sich.
    Imbri blickte an sich hinunter. »Ich weiß nicht – « Dann krümmte sich ihr Menschenmund. »Mit meinem Busen? Damit habe ich dich gestoßen?«
    Forrest spürte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg. Das war ihm noch nie passiert. Womöglich hatte noch kein Faun das zustande gebracht.
    »Oje, Forrest«, sagte sie zerknirscht. »Ich hätte ja nie gedacht… Ich sehe aus wie eine Nymphe, nicht wahr? Und du bist ein Faun.«
    »Ja.« Nun war es heraus.
    »Und du musstest dich mühsam davon abhalten, ein Faun zu sein. Die ganze Nacht hindurch.«
    »Ja.«
    »Ich hätte niemals… ich meine, wenn ich das nur geahnt hätte… Das ist nicht meine natürliche Gestalt… Mir ist gar nicht in den Sinn gekommen – «
    »Es ist nicht wichtig«, schnitt er ihr das Wort ab, um endlich dieses peinliche Thema zu beenden.
    »O doch, das ist es! Ich habe unbedacht gehandelt und dich in Nöte gestürzt. Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder gutmachen soll. Dabei hätte ich doch von selbst begreifen müssen… Im Nachhinein ist es derart offensichtlich – «
    »Bitte, lass es sein. Es ist wirklich nicht wichtig. Wir sollten uns wieder auf den Weg machen.«
    »Ich war so gedankenlos! Mein Verhalten ist nicht zu entschuldigen. Irgendetwas muss ich doch tun…« Dann veränderte sich ihr Gesicht. »Forrest, ich vergesse immer, dass ich hier auf Ptero stofflich bin. Und selbst wenn ich damit Unheil anrichte, vergesse ich noch, dass ich deine Not lindern kann: Ich könnte für dich zur Nymphe werden.«
    »Nein. Ich will das nicht.«
    »Nein, wirklich. Das ist für mich keine Kränkung. Wir Stuten nehmen dergleichen nicht wichtig. Ich kann das Spiel perfekt treiben, du musst mir nur sagen wie. Mal überlegen – Nymphen fliehen und kreischen dabei niedlich, sie treten mit den Füßen um sich und werfen ihr Haar herum; dann tun sie so, als wollten sie den Storch rufen.« Noch während sie sprach, löste sie ihre Kleidung auf, rannte in einem engen Bogen herum, trat mit einem Fuß, dann mit dem anderen, und schwang ihr länger werdendes Haar zu einem Vollkreis. Dann versuchte sie einen niedlichen Schrei: »Iiiiieeeek!«
    »Nein!«, brüllte Forrest. »Hör auf!«
    Imbri blieb auf der Stelle stehen. »Es tut mir leid, Forrest. Habe ich etwas falsch gemacht?«
    »Nein. Ich will dich nicht als Nymphe.«
    »Aber du hast gesagt… heute Nacht…«
    »Du bist nicht ohne Verstand.«
    »Oh. Aber ich kann doch so tun.«
    »Ich wüsste, dass es nicht so ist.«
    Traurig nickte sie. »Also kann ich für dich keine Nymphe sein. Ich enttäusche dich nur.«
    »Ja.«
    »Ich bitte dich aufrichtig um Verzeihung, Forrest. Wenn es etwas anderes gibt, was ich für dich tun kann, um – «
    »Nein. Wir

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