Wald
NICHT SO WIE IHR!«
Der Alte macht noch einen Schritt auf ihn zu. Die rechte ritterliche Pranke donnert unter einem großen Schlag im Affekt auf das matschige Gesicht. Der Irre torkelt zurück. Sidus sieht fassungslos auf seine zitternde Hand, da hört er im Hintergrund wieder dieses widerliche Gekicher aufsteigen. Er sieht auf und sieht dem Alten in die Augen.
»Ich bin so wie Du!«
Erst ganz leise.
»Ich bin so wie Du!«
Dann immer lauter.
»Ich bin so wie D--- aarh ---«
Envin irrt noch immer zwischen den Gemäuern umher. Dann bleibt er stehen. Er hat etwas gehört.
Klang fast so, als würde jemand ein Ferkel aufspießen!
Nur aus welcher Richtung kam das Geräusch? Er sieht sich um, versucht genauer hinzuhören. Da --- wieder etwas. Diesmal erweckte es den Eindruck, als hätte jemand einen Eimer umgestoßen. Verunsichert läuft er los.
Sidus hat den Hals des Alten mit beiden Händen fest umschlossen und drückt zu. Die Gegenwehr seines Kontrahenten beschränkt sich auf ein wildes Schütteln seines Körpers. Tatsächlich schafft der Alte es aber dadurch, die gesamte Masse des Ritters gegen eine Wand zu schleudern, wovon Sidus sich gänzlich unbeeindruckt zeigt. Es bringt ihn nur noch mehr in Rage. Mit einem ungezügelten Aufschrei schmeißt Sidus sich und den Alten auf den Boden und landet mit einem lauten Schmatzen im Schlamm, sein Opfer nun über sich liegend. Doch nicht einmal für eine halbe Sekunde lockert er den Griff seiner Hände. Mit einem Ruck seiner Beine schafft Sidus es, die aneinander gewundenen Körper in Schwung zu versetzen und loszurollen. Dabei stoßen sie gegen den kläglichen Kadaver, dessen obere Hälfte entschlossen auf die beiden niederkracht. Sidus rollt weiter und zieht dabei den Leichnam hinterher, dessen rechter Arm sich zwischen ihm und dem Alten verkeilt hat. Er drückt das Haupt seines Rivalen in eine riesige Pfütze. Der blauangelaufene Kopf des Alten stößt die letzten Luftzüge aus, die als kleine Bläschen an die große Wasseroberfläche dringen.
In diesem Moment tritt Envin dazu.
»Was machst Du da?«
Sidus kann nicht antworten, da das Zudrücken seine gesamte Kraft aufzerrt. Die Wasserbläschen werden weniger und schließlich lässt er von dem Alten ab und steht schnaufend und wild schnaubend auf. Envin steht ihm gegenüber und sieht ihn entgeistert an.
»--- was meinst Du Envin --- ich habe nichts gemacht --- das war dieser Besessene --- er hat seinen Begleiter getötet und danach die Leiche geschändet --- ich habe nur Gerechtigkeit walten lassen --- gerichtet habe ich ihn ---«
Envin sieht zu den beiden Toten hinab.
»Du bist verrückt!«
Sidus sieht Envin mit einem scharfen Blick an, noch immer nach Luft ringend, und schweigt. Ohne ein Wort zu sagen, hebt er sein Schwert auf, geht an seinem Bruder vorbei und lässt den Ort des Kampfes hinter sich zurück. Im Eingang des Raumes bleibt er noch einmal stehen.
»Komm schon, Envin. Wir sammeln unsere Ausrüstung zusammen und brechen auf. Los!«
Er geht weiter. Envin rührt sich nicht. Er muss eine Entscheidung treffen. Er kann die Leichen nicht so liegen lassen.
»Jetzt komm schon!«, schallt erneut die Stimme seines Bruders aus der Dunkelheit.
Envin wirft seinen Mantel zur Seite und läuft auf den Alten zu. Er hebt sich den Arm vor die Nase um den Geruch zu dämpfen, aber vergeblich. Auf Höhe der Körper verselbständigt sich seine letzte Mahlzeit. Envin schafft es gerade noch, sich neben die beiden zu übergeben. Aber es hilft nichts, er muss weitermachen. Und schimpft dabei über seinen Bruder. Er wischt sich die Reste der Magensäfte mit seinem Hemd ab, dann schiebt er mit dem Stiefel den Verwesten ein Stück zur Seite, sodass er alleine liegt. Als Nächstes packt Envin den Alten an den Schultern, zieht seinen Kopf aus dem Wasserloch. Envin erschrickt.
Das kann doch nicht sein! Er legt den toten Körper auf den Boden. Das Regenwasser hat die verkrusteten Matschschichten vom Gesicht des Alten größtenteils abgewaschen. Was darunter hervorkommt, kann Envin zuerst nicht glauben. Er sinkt neben dem Leichnam auf die Knie und atmet tief durch. Als er so dasitzt, fällt ihm etwas an der Hand des Alten auf, das ebenfalls vom Regen freigelegt wurde. Vorsichtig greift er nach dem leblosen Gelenk und streift behutsam den Siegelring ab. Er betrachtet ihn kurz und steckt ihn in einen Lederbeutel, der an seinem Gürtel befestigt ist.
Hierauf steht er auf und greift mit beiden Händen in den frischen Matsch und
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