Wald
an einen herumliegenden Steinbrocken. Im Halbschlaf sucht er nach einer neuen Liegeposition, als er bemerkt, dass er auf einmal ungewohnt viel Platz hat.
»Sidus?«
Er erhebt seinen Oberkörper und sieht sich mit verschwommen Blick um.
»Sidus!«
Sidus steht noch immer in seinem Versteck und überlegt. Soll er eingreifen? Und woher kommt dieser widerliche Geruch?
»Meinst Du, es wäre schlimm, wenn sie morgen früh aufwachen würden und feststellen, dass sie tot sind? Du könntest schließlich noch ein paar Freunde gebrauchen --- einen Unterschied macht es nicht --- die Lebenserwartung eines Drachenjäger ist nicht sonderlich hoch.«
An dieser Stelle kommt Sidus mit gezogenem Schwert um die Ecke gerannt und erbleicht. Magensäfte schießen seinen Rachen empor, als er von Nahem endlich deutlich erkennen kann, was er zuvor nur schemenhaft gesehen hatte. Der Alte kniet über etwas (und hält dessen Hand), was mit Sicherheit kein echter Geist ist. Mit ziemlicher Gewissheit kann Sidus den Korpus als menschlichen Leichnam einordnen, wenn sich auch der Prozess der Verwesung bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Der Ritter versucht es mit Fassung zu nehmen – wenn nur dieser höllische Gestank nicht wäre!
Sidus schluckt einen Brocken Mageninhalt herunter, der seinen Weg hinauf bis in seinen Mund gefunden hat, erhebt sein Schwert und zeigt damit auf den Toten.
»Habt Ihr ihn umgebracht? Mir scheint, er ist durch Gewaltanwendung gestorben – soweit ich das jetzt noch beurteilen kann. Oder sieht es nicht so aus, als wären im diverse Körperteile mit einem Schwerte abgehackt worden?«
»Ich? Umgebracht --- nein, hihi ---«
Der Alte kriecht auf dem schlammigen Boden in Sidus’ Richtung.
»Ich würde so etwas niemals tun --- aber --- chiha --- soll ich erzählen, wer ihn getötet hat? Das wird Euch gefallen.«
Der Alte kniet jetzt direkt vor dem Ritter und sieht lachend zu ihm herauf. Wie ein Hund, der um Essensreste bettelt, denkt Sidus.
»Nur zu. Ihr sollt die Chance haben, Eure Verteidigung vorzubringen!«
»Es war der Drache, mein Herr!«
»Der Drache hat ihn gefressen?«
»Genau!«
»Nun --- dafür, dass er verspeist wurde, sieht er aber doch noch ziemlich gut erhalten aus, meint Ihr nicht?«
»Doch, doch --- ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«
Sidus blickt auf den Alten herab.
»Und was war das, worüber Ihr soeben geredet habt, bevor ich zu Euch kam? Es klang beinahe so, als wolltet Ihr meinen Bruder und mich im Schlafe umbringen!«
»Oh --- nein --- iwo --- das habt Ihr falsch verstanden --- Ihr edler und wohlgebildeter Ritter --- es ist so das --- hi --- hihi ---«, der Alte kann nicht weitersprechen, da er einen Lachanfall bekommt.
»Was ist?«, fragt Sidus streng.
»Nichts --- khmm --- nur, dass auch Ihr heute Nacht dem Drachen zum Opfer gefallen wärt!«
»Aha! Und Euch hätte der Drache erneut verschont, wie beim ersten Mal, als Euer Begleiter gefressen wurde und Ihr zugesehen habt und Ihr dennoch von dem Monstrum nicht beachtet wurdet?«
»Richtig!«
»Ich glaube Euch kein Wort! Zuerst dachte ich, Ihr seid nur eine arme, wahnsinnig gewordene Seele, doch nun sehe ich, Ihr seit auch besessen!«
»Ich bin nur so wie Du!«
»Wie meint Er das?«
Sidus weicht zurück. Was fällt diesem Irren ein, sich mit ihm zu vergleichen?
»Wie wagt Er es, derart mit mir zu reden!«
»Sidus?« Envin tappt von einem Steinhaufen zum nächsten, den vollgesogenen Umhang, der sich jetzt anfühlt, als hätte man Ziegelsteine in seinen Saum genäht, hält er sich zum Schutz vor dem Regen mit beiden Armen über den Kopf. Erst jetzt realisiert er, wie groß diese Burg einmal gewesen sein muss. Von seinem Bruder oder dem Alten hat er noch kein Lebenszeichen gefunden. Wenn nur endlich die Elemente zur Besinnung kämen und diesem Unwetter das Wasser ausgehen würde.
»Ich bin so wie Du! Ich bin so wie Du!« Der Alte ist aufgestanden.
»Schweigt! Ich bin ein tapferer Krieger --- Beschützer der Schwachen! Ich bin kein geisteskranker Mörder so wie Ihr ---«
»Ich bin so wie Du!«
»Langweilt mich nicht!«, ruft Sidus und macht einen großen Schritt zurück. Der Alte folgt ihm.
»Kommt mir nicht näher! Ich warne Euch ---«
Ein unangenehmes Kribbeln durchzuckt Sidus’ Körper, während er nicht einmal mehr realisiert, wie ihm sein Schwert aus der Hand gleitet.
»Ich bin so wie Du!«
Jetzt hat er vollkommen den Verstand verloren, denkt Sidus.
»Ein für alle Mal! ICH BIN
Weitere Kostenlose Bücher