Wald
geschmort wurde.«
Envin antwortet nichts.
»Der Drache traut sich nicht zu mir in mein Schloss«, ruft der hochschnellende Alte in die Nacht. »Dafür hat er zu viel Angst vor den Geistern, die hier wohnen.« Seine Stimme klingt jetzt viel klarer und ernster, als noch einen Moment zuvor.
»Geister? Welche Geister?«, erwidert Sidus, der nun das Lachen übernimmt.
»Eigentlich ist es nur einer. Bis vor Kurzem noch war er mein Wegbegleiter --- doch für die Gefahren des Waldes war er viel zu fett --- jetzt ist er fort und lebt doch mit mir als Geist weiter hier und bewacht für mich mein Schloss vor Eindringlingen.«
»So, Euer Wegbegleiter ist also ein Gespenst? Und Eure Freunde sind die Bäume! Pah, und Eure Mutter war ein Kobold und Euer Vater ein Esel, nehme ich an --- haha --- und Eure Frau --- pfft --- ich nehme an --- hihihmm ---«, Sidus verschluckt sich beim Lachen, »ich nehme an, Eure Ehefrau ist die Sonne persönlich!«
Sidus muss sich den Bauch halten.
»Sagt, alter Mann --- könnt Ihr auch mit Grashalmen sprechen, und --- und --- hmm --- ohhh --- könnt Ihr mit den Tieren Lieder singen --- hi ---«
Der Alte sieht Sidus mit starren Augen an und beobachtet jede seiner Bewegungen.
»Nein,« erwidert er so kühl, dass Sidus sein Lachen im Halse gefriert. Angespannte Stille kehrt ein. Die beiden Ritter starren in die lodernden Flammen des Feuers.
»Aber ich kann mit den Geistern tanzen.«
Sidus blickt den Alten an, dann prustet er wieder los. »Pah --- mit den Geistern tanzen --- das ist gut --- hast Du das gehört Envin --- er kann mit Geistern tanzen --- hihi ---«
Envin schweigt. Er kann Sidus’ Belustigung nicht teilen. Was wenn an diesem Ort tatsächlich Geister wohnen? Was wenn der Alte zwar verrückt, aber obendrein noch mit den finsteren Mächten des Waldes im Bund ist? Es ist ihm peinlich, Sidus auf seine Bedenken anzusprechen. Und warum sollte dieser darauf eingehen. Zu Heldentaten sind sie ausgezogen, es wäre wohl besser, wenn er sich langsam darauf einstellt.
Ein schrilles Geräusch ist es schließlich, das ihn zusammenzucken lässt.
»Was hast Du, kleiner Bruder, hast Du etwa Angst vor den Wölfen in der Ferne?« Sidus schüttelt den Kopf.
Es ist ganz schön schwer ein Held zu sein, stellt Envin fest, holt tief Luft und lässt seinen Körper an der Mauer niedersinken.
Einige Stunden später liegt Envin friedlich zusammengerollt im Dreck und schläft still und fest wie ein neugeborener Hase. Als der Alte sich von seinem Lagerplatz auf der anderen Seite des eingestürzten Raumes erhebt, bemerkt er nichts davon. Sidus hingegen, der wegen des andauernden Regens, der beharrlich auf seine Stiefel tropft, die ganze Nacht keinen tiefen Schlaf finden konnte, schrickt auf. Als Sidus sich erhebt, ist der Alte bereits aus seinem Blickfeld verschwunden. Sidus läuft ein paar Schritte, dann hört er ein seltsames Summen. Ist das der Irre?
Er schleicht weiter.
Am Ende eines alten Wehrgangs, am äußersten Rand der Ruine, entdeckt er den Einsiedler. Sidus versteckt sich hinter einem Haufen Steine und beobachtet die Szenerie. Es ist tatsächliche der Alte, der frohlockend eine Melodie vor sich hinpfeift und dabei einen Freudentanz vollführt. Sidus muss sich in die Backe zwicken, um sich davon zu überzeugen, dass er nicht träumt.
Mit einem Male springt der Alte weiter. Sidus folgt ihm vorsichtig.
»Hast Du gesehen, wir haben Besuch bekommen.«
Sidus kann die Stimme des Alten deutlich hören. Sie kommt aus einem kleinen Raum, von dem noch alle vier Wände erhalten zu sein scheinen. Sidus steht vor dem Eingang hinter der Mauer und lauscht. Doch mit wem unterhält sich der Verrückte?
»Die beiden sind nicht so fett wie Du --- chihi --- höchstens ein wenig klein für ihre Aufgabe ---«
Sidus schiebt seinen Kopf langsam nach vorne, damit er um die Ecke linsen kann. Als er den zweiten, dunklen Körper sieht, macht er erschrocken einen Schritt zurück und presst sich wieder an die Wand. Wer oder was war das?
»Was meinst Du, ob wir sie hier behalten sollen?«
Sidus ist sich sicher, dass es nichts in dieser Welt gibt, dem er sich nicht stellen würde! Aber einem Geist? Was könnte er gegen einen Untoten ausrichten?
Plitsch, plitsch, plitsch. Der Regen will nicht mehr aufhören. Überall auf dem ganzen Areal bildet sich eine neue Matschpfütze nach der anderen. Felsspalten und Hügel verwandeln sich in Rinnsale und Bäche.
Envin dreht sich im Schlaf um und stößt mit dem Knie
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