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Wald

Wald

Titel: Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Waechter
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Haare.
    »Eine furchtbar traurige Erzählung. Findet Ihr nicht auch, Herrin?«
    »Ach, wieder einer von diesen modernen Gesängen, die geschrieben wurden, ums uns Damen zu verblöden«, ergreift die Komtess, leise und bedächtig sprechend, das Wort, »voll von Minne und Selbstverliebtheit, aber ohne Herz und Verstand. Sagt Kralin, ist euch noch nie aufgefallen, dass der Charakter der Frauen in diesen angeblichen Liebesliedern frühestens zum Ende der Geschichte vorgestellt wird? Dabei sollen die holden Damen doch angeblich der Mittelpunkt des Minnedienstes sein.«
    »Ja, aber --- der heldenhafte Ritter kämpfte doch so lange Zeit um ihre Gunst. Würdet Ihr Euch nicht wünschen, dass ein Mann so vieles für Euch leistet? Also ich wäre in den Händen des kühnen Mannes wie Wachs zerlaufen.«
    »Und was dann?«, bellt die Komtess die Zofe an, ohne dabei ihre Stimme zu erheben. »Nun seht doch mein Mädchen, ist es nicht so, dass die Bedingung für die Minne der Wert und das Ansehen einer Hofdame ist?«
    »Natürlich.«
    »Aber ist es nicht weiter so, dass die Dame gerade in dem Moment, in dem sie dem um Erhörung weinenden Ritter einen Liebesdienst erweist, ihr Ansehen und ihren Wert verliert und der Mann ihr danach keine Minne mehr bringen kann?«
    »Ihr redet von dem, dass man das Paradoxon der Liebe nennt, Herrin?«
    »So ein Unsinn!«, Llyle reißt sich die Bürste aus den Haaren und stößt den Arm der Zofe weg.
    »Habe ich Euch am Schopf gezogen?«, fragt Kralin verunsichert.
    Llyle steht auf, ohne sich ihr zuzuwenden.
    »Liebe, Liebe, Liebe! Wenn ich so etwas schon höre! Für Euch junge Dinger gibt es wohl kein anderes Thema.«
    Jetzt dreht Llyle sich um und starrt die klapprige Zofe, die vor ihrem stechenden Blick unbewusst zurückweicht, durchdringend an. Vor ihr steht ein jämmerliches, fünfzehnjähriges, Knochengestell. Mehr Skelett als Mensch. Aber schöne Haarlocken. Ob sie es auch mit Sidus getrieben hat? Oder besser gesagt, er mit ihr?
    Wahrscheinlich denkt ihr Verlobter noch immer, sie wisse nichts von seinen Vorlieben für junge Mädchen, die er mit seinem Rittergehabe beeindrucken kann. Unanständige Bilder von stöhnenden Mägden und schwitzenden Rittern unterwandern Llyles Bewusstsein. Ganz bestimmt hat Sidus dieser Göre mit seinem edlen Heldengehabe imponieren können. Und nun? Nun ist es sowieso egal! Was macht es schon? Soll er es doch die ganze Welt mit seinem Samen überschütten!
    »Bin ich denn die Einzige, die sich bei diesen blöden Heldengeschichten, in denen die Mädchen nur als Zierstücke auftauchen, fragt, was die holden Damen eigentlich von alledem halten? Vielleicht wollen sie ja überhaupt nicht, dass der Ritter sie errettet!«
    Als Kralins besorgte Augen sie verständnislos anblicken, merkt Llyle selbst, dass sie in ihren Ausführungen zu weit gegangen ist.
    »Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht anschreien ---«
    Llyle stellt sich neben den Kamin, an den Hocker auf dem das grüne Kleid liegt, und breitet beide Arme aus, als Zeichen das Kralin ihr nun beim Ankleiden helfen soll. Die Zofe tritt an sie heran, wie es sich für sie gehört, und hebt das Gewand empor.
    »Wisst Ihr, wie ich mir meine Hochzeit in meinen Gedanken vorgestellt habe?«, fragt Llyle in den Raum hinein ohne eine Antwort zu erwarten. Kralin streift ihr mit geübtem Griff das Kleid über.
    »Ich weiß, dass es eine Torheit von mir ist, aber schon seit meiner Kindheit habe ich diesen Traum, in dem ich in einem grünen Gewand an einem Altar stehe, aber ein Altar unter freiem Himmel. Um meine Haare trage ich ein blaues Band, so wie es üblich ist als Zeichen der Reinheit. Darunter trage ich die Haare offen, so wie man es nur bei einer Hochzeit tragen darf. Die Locken sind so strahlend hell, als wären sie in der Sonne gebleicht. Auf einmal beginnt es, Blumen vom Himmel zu regnen. Orangefarbene Nelken. Und dann taucht aus dem Wald ein Reiter auf. Vom Schein der Sonne umrahmt, galoppiert er auf mich zu. Neben dem Altar bleibt er stehen, steigt ab und läuft zu mir. Sein Gesicht konnte ich nie erkennen, da ich von der Sonne geblendet wurde. Gerade in dem Moment, als er nach meiner Hand greift, wache ich jedes Mal auf ---«
    Llyle schließt die Augen, nur kurz, dann reißt sie die Augenlider wieder auf.
    »Ich fürchte Ihr haltet mich jetzt für rührseelig und schwülstig. Ihr braucht gar nicht lachen.«
    Auch der Komtess zieht sich nun ein zartes Schmunzeln über die Backen. Und dann wundert sie sich, dass sie

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