Walden Ein Leben mit der Natur
legen können. Im Hochsommer, während ich beim
Umstechen war, hielt eines Tages ein Mann, der eine Ladung Töpferwaren zu Markte brachte, seinen Gaul vor mir an und erkundigte sich nach Wyman dem Jüngeren. Er hatte vor langer Zeit einmal eine Töpferscheibe bei ihm gekauft und wollte gerne wissen, was aus ihm geworden sei. Mir waren Ton und Töpferscheibe aus der Bibel bekannt, aber nie hätte ich gedacht, daß die Töpfe, die wir verwendeten, nicht noch ungebrochen aus jener Zeit auf uns gekommen seien oder wie die Kürbisse irgendwo auf den Bäumen wüchsen. Es freute mich zu erfahren, daß diese irdene Kunst auch in meiner Nachbarschaft einmal geübt wurde.
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Der letzte Ansässige dieser Wälder vor mir war ein Irländer namens Hugh Quoil, der Wymans Grundstück bewohnte. Er
wurde Oberst Quoil genannt, und es geht das Gerücht, er habe als Soldat bei Waterloo gekämpft. Hätte er noch gelebt, dann hätte ich ihn dazugebracht, alle seine Schlachten für mich noch einmal zu schlagen. Das Gewerbe, das er hier ausübte, war das eines Grabenziehers. Napoleon war nach St. Helena
gekommen, Quoil an den Waldensee. Alles, was ich über ihn hörte, ist tragisch. Er war ein Mann von Lebensart, der die Welt gesehen und verstand sich so gewandt auszudrücken, daß nur wenige ihm folgen konnten. Sein Gesicht war karminrot, und auch im Hochsommer trug er einen Soldatenrock, denn er war vom Delirium tremens befallen. Er starb, kurz nachdem ich hierhergezogen war, am Fuße von Bristers Hügel auf der
Landstraße, so daß ich mich seiner als Nachbar nicht mehr entsinnen kann. Sein Haus, das »Unglücksschloß«, um das seine Gefährten einen Bogen machten, sah ich mir an, ehe es niedergerissen wurde. Auf der hölzernen Bettstatt lagen seine abgetragenen, zerknitterten Kleider, als ob er selbst es sei.
Seine Pfeife lag zerbrochen auf dem Herd, an Stelle eines am Brunnen zerbrochenen Kruges. Letzterer konnte jedenfalls nicht das Symbol seines Todes gewesen sein, da er mir gestanden hatte, daß er zwar von der Brister-Quelle gehört, sie jedoch nie gesehen hatte. Auf dem Boden lagen schmutzige Spielkarten verstreut, Karo-, Pik-, Herzkönige. Ein schwarzes Huhn, das der Hausverwalter nicht fangen konnte, schwarz wie die Nacht und ebenso still, ließ in Erwartung Reinekes nicht einmal ein Gackern hören und stakste leise ins Nebenzimmer, um sich zum Schlafen hinzuhocken. Hinter dem Haus konnte man die überwachsenen Anlagen eines Gartens erkennen, der zwar
gepflanzt, aber wegen der schrecklichen Schüttelanfälle seines Eigentümers nie mehr gejätet worden war, obwohl inzwischen Erntezeit war. Er war von Wermut überwuchert, und die Kletten, die sich an meine Kleider hefteten, waren die einzigen Früchte, die ich erntete. Ein frisches Murmeltierfell war an der Rückseite des Hauses aufgespannt, die Trophäe seines letzten Waterloo; doch die warme Mütze und die Fäustlinge brauchte er nicht mehr.
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Nur eine Vertiefung im Erdboden kennzeichnet noch die
Stellen, an denen sich diese Wohnstätten befunden haben.
Unter Himbeer-, Brombeer- und Haselnußbüschen, unter
Sumach und Erdbeeren, die auf ihren besonnten Rasenflächen wachsen, liegen ihre Grundmauern begraben, eine Pechkiefer oder eine knorrige Eiche nimmt den Platz des Kamins ein, und wo sich einst die Türschwelle befand, schwankt vielleicht eine duftende Schwarzbirke im Wind. Manchmal ist noch der
Brunnen zu sehen, doch wo einst die Quelle hervorsickerte, steht nur dürres, tränenloses Gras. Mitunter wurde er, als der Letzte des Hauses verschied, tief unter dem Rasen mit Machen Steinen gedeckt, um eines Tages von neuem entdeckt zu
werden. Was für ein trauriger Akt muß das sein - das Abdecken eines Brunnens -, zugleich das Öffnen einer Quelle von Tränen!
Diese Kellervertiefungen, alte Löcher wie verlassene
Fuchsbaue, sind die einzigen Überbleibsel von einem Ort, wo einst das emsige Treiben menschlichen Lebens geherrscht hatte und »Schicksal, freier Wille oder Vorbestimmung« auf irgendeine Art und Weise diskutiert wurden. Alles jedoch, was ich aus ihren Schlüssen lernen kann, beläuft sich auf die Erkenntnis: »Cato und Brister zupften Wolle«; was etwa so erbaulich ist wie die Geschichte berühmterer philosophischer Schulen.
Und obwohl seit einem Menschenalter Tür, Schwelle und
Fensterrahmen vermodert sind, wächst dort immer noch der unverwüstliche Flieder, öffnet Frühling um Frühling seine duftenden Blüten, um von einem
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