Walden Ein Leben mit der Natur
sich nicht auf Geheiß eines Fürsten zuschanden arbeiten. Das Genie ist kein Fürstendiener und sein Stoff bis auf wenige Ausnahmen weder Silber noch Gold noch Marmor. Wozu in aller Welt werden so viele Steine behauen? Als ich in Arkadien war, habe ich niemanden Stein behauen sehen. Die Völker scheinen von
einem krankhaften Ehrgeiz besessen, sich durch die Menge behauener Steine zu verewigen, die sie hinterlassen. Wenn sie nur die gleiche Mühe darauf verwenden würden, ihre
Lebensweise zu glätten und zu polieren! Ein einziger guter Gedanke ist mehr wert als jede Gedenksäule, und wenn sie bis an den Mond reichte. Ich sehe Steine lieber an ihrem
ursprünglichen Platz. Die Schönheit Thebens war nichts als Protz. Das zehn Fuß lange Mäuerchen, das eines ehrlichen Mannes Feld einfaßt, ist vernünftiger als ein hunderttoriges Theben, das weit vom wahren Lebensziel entfernt ist.
Barbarische und heidnische Religionen und Zivilisationen bauen prächtige Tempel; nicht aber das, was man Christentum nennen möchte. Die meisten Steine, die von einem Volk
behauen werden, werden für seine Grabstätte benutzt. Es begräbt sich selbst lebendig. Das einzige Wunder der
Pyramiden ist die Tatsache, daß sich so viele Menschen
fanden, die niedrig genug waren, ihr Leben mit dem Bau der Grabstätte eines ehrgeizigen Tölpels zu verbringen;
vernünftiger und männlicher hätte man ihn im Nil ertränkt und seinen Körper den Hunden zum Fraß vorgeworfen.
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Möglicherweise lassen sich Rechtfertigungen für diese Leute und ihn erfinden, doch dafür habe ich keine Zeit. Was die Religion und die Kunstliebe der Erbauer angeht, so findet sich auf der ganzen Welt das gleiche, bei den Bauten ägyptischer Tempel ebenso wie bei der Bank der Vereinigten Staaten: Sie kosten mehr, als sie wert sind. Die Triebfeder ist Eitelkeit, unterstützt von der Liebe zu Knoblauch, Brot und Butter. Mr.
Balcolm, ein vielversprechender junger Architekt, zeichnet den Entwurf mit hartem Bleistift und Lineal auf den Rücken seines Vitruvius, und dann geht der Auftrag an das
Steinmetzunternehmen Dobson & Söhne. Wenn dreißig
Jahrhunderte darauf herabblicken, fängt die Menschheit an, dazu aufzuschauen. Was hohe Türme und Monumente betrifft: Es gab hier einmal einen verrückten Kerl, der plante, sich bis China durchzugraben; nach seinen eigenen Worten kam er so weit, daß er schon das Klappern der chinesischen Töpfe und Kessel hörte; doch ich glaube, ich werde keine großen Mühen auf mich nehmen, um seine Grube zu bewundern. Viele
befassen sich mit den Monumenten des Ostens und des
Westens und der Frage nach ihren Erbauern. Ich meinerseits hätte gern gewußt, wer in jenen Tagen nicht an ihnen baute, -
wer sich über solche Oberflächlichkeit erhaben zeigte. Doch zurück zu meiner Statistik.
Mit diversen Gelegenheits- und Zimmerarbeiten - bin ich doch in so vielen Branchen tätig, wie ich Finger habe - hatte ich mir in der Zwischenzeit im Dorf 13,34 Dollar dazuverdient. Im folgenden führe ich die Ausgaben für Lebensmittel in einem Zeitraum von Monaten auf, nämlich vom 4. Juli bis zum 1. März (der Zeit, während der ich diese Schätzungen aufstellte, wenn ich auch über zwei Jahre dort lebte) - ohne die Kartoffeln, etwas grünen Mais und die Erbsen einzurechnen, die ich selbst gezogen hatte, und ohne das, was mir zum letzten Tag
geblieben war:
Reis
$
1,73½
Melasse (die billigste Art zu süßen)
1,73
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Roggenmehl
1,043/4
Maismehl (billiger als Roggen)
0,993/4
Schweinefleisch
0,22 Weizenmehl (kostet mehr als Maismehl,
sowohl Geld als auch Arbeit)
0,88
Zucker
0,80
Schmalz
0,65
Äpfel
0,65
(alles Experimente, die fehlschlugen)
Dörräpfel
0,22
Süßkartoffeln
0,10
ein Kürbis
0,06
eine Wassermelone
Salz
0,03
Ja, wenn man alles zusammenzählt, aß ich genau für 8,74
Dollar. Aber ich könnte von dieser Missetat nicht berichten, ohne rot zu werden, wenn ich nicht wüßte, daß die meisten meiner Leser auf dem Papier genauso mißlich dastehen
würden. Im nächsten Jahr fing ich mir manchmal einen Fisch zum Abendessen und einmal ging ich soweit, ein Murmeltier zu schlachten, das mein Bohnenfeld verwüstet hatte - seine Seelenwanderung zu erwirken, wie der Tartar sagen würde -, und es zu verschlingen, zum Teil um des Experimentes willen.
Aber wenn es mir auch, trotz eines moschusartigen
Beigeschmacks, kurzzeitigen Genuß bereitete, sah ich ein, daß es auf Dauer keine gute Gewohnheit
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