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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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sie statt dessen in ein Stück Grasland angelegt hätte, das ich nicht bewirtschaftete. Alles in allem genommen, das heißt, wenn man die Wichtigkeit der menschlichen Seele und der gegenwärtigen Zeit bedenkt, glaube ich, daß ich trotz der kurzen Zeit, die mein Experiment in Anspruch nahm, ja zum Teil sogar wegen seines flüchtigen Charakters, bessere Resultate erzielte als jeder andere Farmer in Concord in diesem Jahr. Ein Jahr später war ich noch besser dran, denn ich grub nur so viel Land um, als ich für mich selbst brauchte - ungefähr ein Drittel eines Morgens.
    Ich ließ mich durch die vielen berühmten Werke über
    Landwirtschaft nicht im mindesten einschüchtern und lernte aus den Erfahrungen dieser beiden Jahre, daß ein Mensch, der einfach lebt, der nur das ißt, was er anbaut, und nicht mehr anbaut, als er ißt, und den Ertrag seines Bodens nicht gegen unzulängliche, teure Luxusgüter eintauscht, nur ein paar Hektar Land zu bebauen braucht. Ich erkannte ferner, daß es billiger kommt, mit dem Spaten umzugraben als mit einem
    Ochsengespann, und besser ist von Zeit zu Zeit ein neues Stück Boden vorzunehmen, als das alte zu düngen; daß man alle notwendige Landarbeit sozusagen mit der linken Hand und zwischendurch im Sommer verrichten kann, ohne dabei an einen Ochsen, ein Pferd, eine Kuh oder ein Schwein gebunden zu sein wie der Farmer heutzutage. Ich möchte in diesem Punkt unparteiisch sein, da ich weder an den Erfolgen noch an den Fehlschlägen unserer gegenwärtigen ökonomischen und
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    sozialen Einrichtungen interessiert bin. Ich war unabhängiger als jeder Farmer von Concord, denn ich war auch nicht an eine Landwirtschaft gebunden und konnte jeden Augenblick den oft sehr ausgefallenen Eingebungen meines Geistes folgen.
    Obendrein hätte ich bei einem Brand meines Hauses oder bei einer Mißernte fast nichts verloren.
    Meiner Ansicht nach sind die Menschen weniger Herr über ihr Vieh, als das Vieh Herr über die Menschen ist, denn dieses ist bei weitem freier. Menschen und Ochsen vertauschen ihre Arbeit. Wenn man aber allein die notwendige Arbeit in Betracht zieht, sind die Ochsen weit besser dran, ihre Weide ist viel größer. Der Mensch leistet sein Teil des Arbeitsaustauschs in den sechs Wochen des Heuens, und das ist kein Kinderspiel.
    Niemals würde ein Volk, das in jeder Beziehung einfach lebt, ein Volk von Philosophen also, einen solchen Fehler begehen, die Arbeit von Tieren zu beanspruchen. Gewiß, ein Volk von Philosophen gab es nie und wird es auch so bald nicht geben; ich bin auch gar nicht sicher, ob das zu wünschen wäre. Ich hätte jedenfalls nie ein Pferd oder einen Bullen gezähmt und bei mir aufgenommen, um meine Arbeit verrichten zu lassen, aus reiner Angst, selbst ein schlichter Viehhirt oder
    Pferdeknecht zu werden; und selbst wenn es zum Nutzen der Allgemeinheit ist, sind wir sicher, daß des einen Nutzen nicht des anderen Schaden bedeutet und des Stallburschen
    Bedürfnisse ebenso wie die seines Herrn befriedigt werden?
    Zugegeben, gewisse öffentliche Arbeiten hätten ohne diese Hilfe nicht ausgeführt werden können, und den Ruhm dafür möge sich der Mensch mit Ochsen und Pferden teilen; aber folgt denn daraus, daß er statt dessen nicht seiner selbst würdigere Werke hätte vollbringen können? Wenn die
    Menschen anfangen, nicht nur entbehrliche oder künstlerische, sondern auch verschwenderische und sinnlose Arbeit mit ihrer Hilfe zu verrichten, führt dies unweigerlich dazu, daß einige wenige den Arbeitsaustausch mit den Ochsen leisten oder, in anderen Worten, zu Sklaven der Stärksten werden. Der
    Mensch arbeitet also nicht nur für das Tier in sich, sondern als Symbol dafür auch für das Tier draußen. Obwohl wir viele
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    stattliche Häuser aus Ziegeln und Stein haben, wird der Reichtum des Farmers noch immer daran bemessen, um
    wieviel seine Scheune das Wohnhaus überragt. Für Ochsen, Kühe und Pferde gibt es in dieser Gemeinde angeblich die größten Häuser der ganzen Gegend, und auch an öffentlichen Gebäuden steht sie nicht nach; aber im ganzen Landkreis gibt es nur sehr wenig Stätten ähnlichen Ausmaßes für freien Gottesdienst und freie Rede. Warum sollten sich die Völker immer nur durch ihre Architektur und nicht auch durch große abstrakte Gedanken ein Denkmal setzen? Um wieviel
    bewunderungswürdiger ist doch die Bhagavadgita als alle Ruinen des Ostens! Tempel und Türme sind ein Luxus der Fürsten. Ein einfacher, unabhängiger Geist wird

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